Heberer, J. (Hrsg.), Butzmann, O., Eicher, E., Hüttl, P.
200 S., kartoniert, 2013, 24,99 EUR ISBN 978-3-609-10009-8
In Kooperation mit dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen hat dessen Justitiar als Herausgeber unter Mitautorenschaft der Kollegen seiner medizinrechtlich ausgerichteten Anwaltskanzlei diese Zusammenfassung der Regelungen zur Organtransplantation vorgelegt. Intention dabei ist erklärtermaßen keine erschöpfende juristische Abhandlung, sondern die Beantwortung möglicher Fragen aus der Perspektive von Patienten und von Ärzten außerhalb des Transplantationswesens, letztlich mit dem Ziel, der in jüngster Zeit durch vermeintliche und tatsächliche Skandale eingetretenen Verunsicherung der Öffentlichkeit entgegenzuwirken und die Akzeptanz der Organspende zu erhöhen.
Dieser Absicht folgend werden zunächst die rechtlichen Grundlagen der Organtransplantation nachgezeichnet, inklusive eines kurzen Abrisses strafrechtlicher Aspekte der Transplantationsmedizin. Es folgt eine kurze Beschreibung der seit einigen Jahren geltenden gesetzlichen Vorgaben zur Patientenverfügung sowie zum Rechtsrahmen von Aufklärung und Einwilligung. Der redaktionelle Teil endet mit einigen wenigen Anmerkungen zum zivilrechtlichen Teil des Patientenrechtegesetzes. Relevante Richtlinien zur Lebertransplantation, zur Hirntodfeststellung, Textbausteine für Patienten-/Betreuungsverfügung und schließlich der BGB-Teil des Patientenrechtegesetzes im Anhang runden die Darstellung ab.
Entsprechend der Zielgruppe verzichten die Autoren auf einen Fußnotenapparat und orientieren sich an der medizinischen Zitierweise. Leider fehlt das dort übliche abschließende Literaturverzeichnis, was dem Leser den Zugang zur vertiefenden Lektüre erschwert. Literatur wird darüber hinaus uneinheitlich, zuweilen nur mit Autor und Seitenzahl zitiert, Auflage und Erscheinungsjahr fehlen durchgehend. Ähnliches gilt für die Rechtsprechungsnachweise. Mal finden sich Gericht, Entscheidungsdatum und Aktenzeichen, was eine Recherche über das Internet ermöglicht, an anderen Stellen werden jedoch lediglich Fundstellen in juristischen Zeitschriften angegeben, die dem Mediziner nicht ohne weiteres zugänglich sind. Hinzu kommen ärgerliche, weil unschwer vermeidbare Schwächen im Lektorat, die das Auffinden der Zitate zusätzlich behindern (ZPR statt ZRP, SGB statt SGb) oder sinnenstellend wirken (Entschädigungskonflikt statt Entscheidungskonflikt).
Die punktuelle, stark problembezogene Darstellung gefällt und viele der optisch hervorgehobenen „Praxistipps“ sind für den ärztlichen Alltag ausgesprochen hilfreich. So etwa der Hinweis, man solle ungeachtet der offiziellen Meinung zur Notwendigkeit eines Betreuers bei vermeintlich eindeutiger (?) Patientenverfügung und fehlendem oder nicht erreichbarem Vorsorgebevollmächtigtem sich schon aus Gründen des Selbstschutzes um die Einrichtung einer Betreuung bemühen. Gleiches gilt für die Warnung an die Ärzteschaft, sich angesichts zahlreicher gegenläufiger Judikate nicht allzu sehr auf die gern zitierte Wendung zu verlassen, wonach nur eine Aufklärung des Patienten „im Großen und Ganzen“ geschuldet sei. Die Forderung der Autoren hingegen, minutiös den Inhalt des Aufklärungsgesprächs zu dokumentieren und das Gespräch möglichst noch in Gegenwart eines Zeugen zu führen, dürfte außerhalb formulargestützter Gespräche schon im Klinikbetrieb, erst recht in der ärztlichen Niederlassung auf kaum überwindbare organisatorische Schwierigkeiten stoßen. Sinnvoller erscheint, Aufklärungsgespräche auch insoweit zu standardisieren und in geeigneter Form (z.B. im Qualitätshandbuch der Praxis) zu hinterlegen. Die Beschränkung der Dokumentation („Aufklärungsgespräch wie üblich“) unter allerdings expliziter Erwähnung individueller Besonderheiten des Patienten dürfte dann ebenso „beweissicher“ sein, wie die hier geforderte, indes kaum praktikable ausführliche Dokumentation, gleichzeitig aber eher dem Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient im Aufklärungsgespräch Rechnung tragen.
Letztendlich kann vor allem der erste Abschnitt überzeugen, der die Grundzüge des Transplantations- und Transfusionsrechts knapp, aber anschaulich darstellt. In den nachfolgenden Abschnitten geht das Bemühen, die Thematik für den juristischen Laien „auf den Punkt zu bringen“ an einigen Stellen zulasten begrifflicher und inhaltlicher Präzision. So findet der „nicht Geschäftsfähige“ Erwähnung, wo der „nicht Einwilligungsfähige“ gemeint ist. Ferner wird durchgehend vom Vormundschaftsgericht gesprochen, obschon mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) das Betreuungsgericht an dessen Stelle getreten ist. Sachlich falsch zudem der in gleichem Zusammenhang erteilte „Praxistipp“, wonach das Vormundschaftsgericht „sich über den Willen der Eltern hinwegsetzen“ werde, die aus Glaubensgründen die lebensrettende Transfusion ihres Kindes verweigern, ist bei Minderjährigen doch bereits seit 1998 die ausschließliche Zuständigkeit der Familiengerichte begründet (§ 1666 BGB). Die Gefahr von Missverständnissen bietet jedoch vor allem die fehlende beweisrechtliche Differenzierung von Selbstbestimmungs- bzw. Eingriffsaufklärung einerseits und therapeutischer bzw. Sicherungsaufklärung andererseits. Nur im erstgenannten Bereich trägt die Arztseite die Beweislast, woran auch das Patientenrechtegesetz nichts geändert hat. Mit dieser nur in einem kurzen Einschub abgehandelten und im Anhang abgedruckten Kodifizierung ging eine neue Terminologie einher, was leider ebenfalls unerwähnt bleibt und den Leser zusätzlich verwirren muss. Die bisherige „Selbstbestimmungssaufklärung“ wird vom Eingriff gelöst auf alle „medizinische Maßnahmen“ erstreckt unter der Überschrift „Aufklärungspflichten“ in § 630e BGB n.F. geregelt. Die bisherige „Sicherungsaufklärung“ findet sich hingegen in § 630c Abs. 2 BGB n.F. nunmehr jedoch unter der allgemeinen Überschrift „Informationspflichten“.
Zusammenfassend kann das Buch jedem juristischen Laien empfohlen werden, der sich einen ersten Überblick über die „Spielregeln“ des Transplantationswesens verschaffen möchte, womit das primäre Ziel der Autoren, ein größeres Verständnis für die Notwendigkeit der Organspende zu schaffen, sicherlich erreicht wird. Die übrigen Abschnitte bieten einen guten ersten Einstieg in die Thematik, sind aber allein kaum geeignet, im Umgang mit Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten oder auf dem weiten Feld von Aufklärungspflichten eine praktisch unmittelbar umsetzbare Leitschnur zu vermitteln, um „juristische Fallstricke“ zu vermeiden.
P. W. Gaidzik, Hamm