Von Sladecek, Einar, Marzi, Leopold-Michael, Schmiedbauer, Thomas
8. neu bearbeitete Auflage, Wien 2016, 48,00 EUR, ISBN: 978-3-7007-6274-4
Schon der Umstand, dass dieses Werk bereits in der 8. Auflage vorgelegt wird, nachdem die 7. Auflage mehrmals nachgedruckt werden musste, belegt seine Akzeptanz und den offenbar bestehenden Bedarf nach einem Überblick über einschlägige Bestimmungen des Rechts der Gesundheitsberufe innerhalb, aber offenbar auch außerhalb Österreichs. Aktualität und Verständlichkeit, die aber nicht zu Lasten der Verlässlichkeit der vermittelten Informationen geht, waren erkennbar vorherrschende Leitmotive der Autoren, sämtlich beruflich ausgewiesene Praktiker ihres Fachs. Das Buch richtet sich an Angehörige dieser Berufsgruppen, nicht an den Fachjuristen, weshalb auf (Gesetzes-) Zitate und Fußnotenapparat weitgehend und auf ein Literaturverzeichnis gänzlich verzichtet wurde. Für die eingangs zitierte Intention ist dies unschädlich, geht es den Autoren doch nicht um Darstellung rechtlicher Details, geschweige denn kontroverser Diskussionen. Dieses Vorgehen erhöht die Lesbarkeit und es wird so erst möglich, die komplexe Materie des Gesundheitsrechts als einem gewissermaßen „Juristischen Mikrokosmos“ auf insgesamt (nur) 341 Seiten kompakt und für den juristischen Laien verständlich darzustellen. Des Weiteren besticht die gute Systematik. Ausgehend von Grundbegriffen der Rechts- und Staatslehre sowie den Strukturprinzipien der Österreichischen Bundesverfassung einschließlich der europarechtlichen Bezüge widmet sich der erste Hauptteil den unterschiedlichen Gesundheitsberufen hinsichtlich Ausbildung, Aufgabengebieten und Pflichtenstellung. Abgesehen davon, dass hier Berufsbilder auftauchen, die dem deutschen Leser nicht oder nicht mehr bekannt sind (z. B. Gipser, Bandagist, Dentist), wird in diesem Kapitel die sehr detaillierte Durchnormierung des Ausbildungsrechts in Österreich deutlich, mit einer klaren, von hierarchischen Strukturen geprägten Kompetenzverteilung. Es folgen die wesentlichen privatrechtlichen Bestimmungen für Gesundheitsberufe sowie die potentiellen Arbeitsplätze in Gestalt der unterschiedlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens mit ihren Aufgaben und Rechtsgrundlagen. Einen verhältnismäßig breiten Raum nimmt die Darstellung „sanitätspolizeilicher Vorschriften“ und „sonstiger für das Sanitätswesen bedeutsamer Rechtsvorschriften“ ein. Den Abschluss bilden gleichfalls umfangreiche Kapitel zum Arbeitsrecht sowie zum Sozialrecht.
Der Leser außerhalb Österreichs wird von der Einführung in Terminologie und Strukturen des Rechts bzw. des Gesundheitsrechts und dabei insbesondere von den Darstellungen zur Kompetenzverteilung profitieren. So bewegt man sich in Deutschland im Bereich der Delegation nicht völlig risikoloser medizinsicher Maßnahmen nicht selten in einem Graubereich. Andere Fragen sind hierzulande gänzlich ungeregelt, wie etwa die Übertragung von Aufgaben an nahe Angehörige eines Patienten. Hier bietet das Werk ausgehend von der elementaren Differenzierung von Anordnungs- und Durchführungsverantwortung eine klare und vor allem praxistaugliche Richtschnur, mögen auch die spezifischen normativen Grundlagen in der jeweils eigenen nationalen Rechtsordnung fehlen. Indessen ist naturgemäß nicht alles ungeprüft übertragbar. So hat sich der deutsche Gesetzgeber im Transplantationsrecht ungeachtet des vorhandenen Organmangels – zumindest bislang – gegen die Widerspruchs- und für die Zustimmungslösung entscheiden. Die Differenzierung von unmündigen (7 bis 14 Jahren) und mündigen Minderjährigen (14 bis 18 Jahren), bei denen auch die Einwilligungsfähigkeit in Heilmaßnahmen im Zweifel vermutet wird, ist dem deutschen Recht in dieser Einteilung fremd. Gleiches gilt für die Möglichkeit einer „automatischen“ Stellvertretung im Willen durch nahe Angehörige und auch die deliktische Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen geht weiter als dies in Bezug auf den „Besorgungsgehilfen“ in Österreich der Fall zu sein scheint. Ähnlich divergent die Regelungen zur Patientenverfügung oder zur Möglichkeit freiheitsbeschränkender Maßnahmen zum Schutz von Patienten vor Eigengefährdungen, die in der Bundesrepublik einer deutlich stärkeren judiziellen Kontrolle unterliegen. Hingegen hat der in Österreich schon länger anerkannte „Trauerschaden“ als eigener Schadensersatzanspruch naher Angehöriger eines tödlich Verletzten als „Hinterliebenenschmerzensgeld“ erst vor kurzem Eingang auch in das bundesdeutsche Zivilrecht gefunden (§ 844 Abs. 4 BGB n.F.), mit – vorsichtiger – Ausdehnung auf Personen, die zum Getöteten „in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis“ standen. Gravierende Divergenzen gibt es schließlich noch im Recht der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, wobei sich aus Sicht des Rezensenten die Rechtslage in Österreich nicht nur durch eine größere begriffliche und systematische Klarheit auszeichnet, sondern mit der Pflicht zur vorhergehenden medizinischen wie juristischen Aufklärung vor Abfassung einer „verbindlichen“, nicht nur „beachtlichen“ Patientenverfügung einen Widerspruch zwischen einer wirksamen Zustimmung zu und einer wirksamen Ablehnung von einer Behandlungsmaßnahme vermeidet. Hier hat der deutsche Gesetzgeber sich weder medizinisch, noch rechtsdogmatisch überzeugend dazu entschlossen, nur für die Legitimation, nicht aber für die Verweigerung eine entsprechende Aufklärung zu fordern. Angesichts dieser – nicht nur terminlogischen Unterschiede – wird man den Autoren empfehlen können, zumindest durch kurze Hinweise auf Abweichungen in Deutschland oder auch der Schweiz, die Möglichkeit von Missverständnissen zu reduzieren, und die Verbreitung des Werkes im gesamten deutschsprachigen Raum zu fördern. Das auch in dieser Auflage vorangestellte Zitat des römischen Juristen Publius Iuventius Celsus, wonach es nicht um den Wortlaut, sondern um die Bedeutung und die Auswirkung von Gesetzen gehen muss, erhält im Gesundheitsrecht eine besondere Bedeutung, geht es doch hier um ähnlich gelagerte Phänomene im Tatsächlichen, die jedoch in den nationalen Rechtsordnungen zum Teil unterschiedliche Regelung erfahren haben. Dies bietet die Chance zum wechselseitigen Lernen voneinander und kann einen Ansatz für eine Rechtsharmonisierung als Beitrag auf dem Weg zur Europäischen Integration liefern. Insofern geht der Nutzen des Werkes über ein bloßes Propädeutikum des Gesundheitsrechts in Österreich hinaus.
P. W. Gaidzik, Hamm