Dazu Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Veranlasste Leistungen: „Mit dem heutigen Beschluss wird der Zugang für Patientinnen und Patienten zu Rehabilitationsleistungen erleichtert. So wird die medizinische Erforderlichkeit zu einer geriatrischen Rehabilitation und zur Anschlussrehabilitation nicht mehr durch die gesetzlichen Krankenkassen überprüft. Das macht beide Verfahren hoffentlich künftig schlanker. Eine solche Fallkonstellation gibt es beispielsweise bei Patientinnen und Patienten, bei denen nach einer Hüftoperation eine direkte Anschlussrehabilitation notwendig ist, um eine Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Eine vergleichbare Regelung inklusive der notwendigen Beurteilungsinstrumente haben wir auch für die geriatrische Rehabilitation, einem altersspezifischen Angebot für Versicherte über 70 Jahren, gefunden. Hier kann es aufgrund altersspezifischer Erkrankungen und Einschränkungen einen Bedarf geben, der eine Rehabilitationsmaßnahme notwendig macht.“
Anschlussrehabilitation: In diesen Fällen entfällt eine Vorab-Überprüfung
Bei erheblichen funktionalen Einschränkungen der Patientinnen und Patienten, die bereits vor einer stationären Behandlung bestehen und bei denen der Krankenhausaufenthalt oft mit schweren Verläufen und/oder Komplikationen einhergeht, überprüfen die Krankenkassen künftig nicht mehr, ob eine Anschlussrehabilitation medizinisch erforderlich ist. Zu den dafür in Frage kommenden Fallkonstellationen gehören z. B. Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufsystems, Krebserkrankungen sowie die Behandlungen des Bewegungsapparats, der Atmungsorgane und neurologische Erkrankungen. Nach dem Willen des Gesetzgebers wird somit der Zugang zu einer Anschlussrehabilitation für Patientinnen und Patienten erleichtert. Grundvoraussetzung bleibt, dass bei den Versicherten die Voraussetzungen für eine Rehabilitation (Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit, -ziele und positive Rehabilitationsprognose) vorliegen.
Neuer Zugang zur geriatrischen Rehabilitation
Damit Krankenkassen nicht mehr überprüfen müssen, ob die geriatrische Rehabilitation für Versicherte ab 70 Jahren medizinisch erforderlich ist, sind auf der Verordnung verschiedene Angaben nötig. Dazu gehören neben dem Alter der Patientin oder des Patienten Informationen zur medizinischen Diagnose (rehabilitationsbegründende Funktionsdiagnose) sowie zu den körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen – denn diese haben Auswirkungen auf die Aktivitäts- und Teilhabemöglichkeiten der Betroffenen. Fachleute sprechen hier von sogenannten geriatrietypischen Diagnosen. Mit zwei Funktionstests müssen diese Diagnosen durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt überprüft und auf der Verordnung dokumentiert werden.
Beispiel für eine Fallkonstellation: Eine 78-jährige Frau hat insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2. Durch die Diabeteserkrankung kam es zu einer Schädigung von Netzhaut und Nerven in deren Folge sie unter Sehbeeinträchtigungen und einer Gangunsicherheit mit Sturzneigung leidet. Der behandelnde Arzt testet u. a. die Mobilitätseinschränkung (z. B. Motilitätstest nach Tinetti oder Timed „Up & Go“ etc.) im Hinblick auf eine geriatrische Rehabilitation. Neben dem Diabetes leidet die Patientin an depressiven Episoden – einer weiteren alterstypischen Erkrankung. Auch diese werden in einem zweiten Funktionstest überprüft (z. B. Geriatrische Depressions-Skala). Somit wurden die aus den Diagnosen resultierenden Schädigungen mit unterschiedlichen Funktionstests belegt.
Inkrafttreten
Der heutige Beschluss mit den angepassten Regelungen der Rehabilitations-Richtlinie tritt frühestens am 1. Juli 2022 in Kraft. Zuvor muss das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Beschluss rechtlich prüfen; bei einer Nichtbeanstandung durch das BMG folgt die Veröffentlichung im Bundesanzeiger.
Hintergrund:
Unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Verfahren Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der ambulanten Versorgung für gesetzlich Versicherte verordnet werden können, regelt die Rehabilitations-Richtlinie des G-BA.
Mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV‑IPReG) hatte der G-BA den Auftrag erhalten, bis Ende 2021 die geriatrische Rehabilitation zu stärken sowie einen schnelleren Zugang zu einer Anschlussrehabilitation zu ermöglichen. Bereits im Gesetz war vorgegeben, dass der G-BA Details zur Auswahl und zum Einsatz geeigneter Abschätzungsinstrumente definieren (§ 40 Absatz 3 Satz 2 SGB V) soll. Ebenso sollte er jene Fälle festlegen, in denen Anschlussrehabilitation erbracht werden kann, ohne dass eine gesetzliche Krankenkasse vorab überprüft (§ 40 Absatz 6 Satz 1 SGB V).
Pressemitteilung G-BA, Gemeinsamer Bundesausschuss