In Deutschland ist es modern geworden, über Burnout zu klagen. Doch das Leiden der Tüchtigen ist keine Krankheit im eigentlichen Sinn. Ein Mediziner bezeichnet den Burnout in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ als „Risiko-Zustand“ für die Gesundheit. Ohne eine Intervention kann er allerdings zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angsterkrankungen oder körperlichen Störungen wie Bluthochdruck führen, die in der Öffentlichkeit – fälschlicherweise – mit „Versagen“ oder „Schwäche“ verbunden werden.
Burnout ist keine medizinische Diagnose, sondern eher ein „arbeitsphysiologisches Konstrukt“, schreibt Ulrich Koehler, der am Schlafmedizinischen Zentrum des Universitätsklinikums Marburg häufig mit Burnout-Patienten konfrontiert wird. Schlafstörungen sind nämlich eine typische Folge der emotionalen Erschöpfung, die eine der drei Dimensionen des Burnouts ist. Die anderen beiden Dimensionen sind eine „Depersonalisation“, die sich durch einen zunehmenden Zynismus des Betroffenen bemerkbar macht, und eine verminderte Leistungsfähigkeit, die dann nicht selten zum Karriereknick führt.
Klagen über einen Burnout sind häufig. In Umfragen geben zwölf Prozent der Erwerbstätigen an, dass sie unter einer „psychischen Belastung“ am Arbeitsplatz leiden. Wie hoch der Anteil des Burnouts daran ist, sei unklar, berichtet Koehler. Unbekannt sei auch, ob die Zunahme von Krankheitstagen und früher Erwerbsunfähigkeit durch psychische Erkrankungen, zu denen es in den letzten Jahren in Deutschland gekommen ist, eine Folge des arbeitsbedingten Burnout ist.
Kein Zweifel besteht für Koehler dagegen an den Ursachen für den Burnout. Die wirtschaftliche Globalisierung habe die Arbeitswelt im letzten Jahrzehnt drastisch gewandelt, schreibt der Mediziner. Als Stichworte nennt er: Arbeitsverdichtung, Beschleunigung der Arbeitsabläufe, zunehmender Leistungsdruck, Steigerung der Produktivität bei reduzierter Erwerbstätigenzahl, computerbasiertes Controlling, mangelnde Anerkennung und fehlende Wertschätzung der geleisteten Arbeit.
Zum Burnout kommt es, wenn diese arbeitsplatzbedingten Faktoren auf bestimmte individuelle Faktoren treffen. Besonders anfällig für ein Burnout sind laut Koehler nicht nur Menschen mit Multipler Sklerose, Krebs, Psychose oder einer beginnenden Demenz, die krankheitsbedingt dem Berufsstress nicht standhalten. Betroffen seien oft auch gesunde Menschen mit übersteigertem Ehrgeiz, Perfektionismus, überhöhtem Anspruch und Pflichtgefühl sowie einer speziellen „deutschen“ Leistungsethik.
Wie können die Ärzte den Patienten helfen? Auf eine angemessene Gestaltung der Arbeitsbedingungen und eine Optimierung der Arbeitsabläufe, die einem Burnout vorbeugen könnten, haben die Mediziner meistens keinen Einfluss. In größeren Firmen könnten aber Betriebsärzte eine Schlüsselrolle in der Früherkennung psychosozialer Probleme am Arbeitsplatz spielen. Die Haus- und Fachärzte könnten die direkten Folgen des Burnouts wie Schlafstörungen behandeln. In der Pflicht stehen für Koehler aber auch Sozialpartner und Politik, die sich der Burnout-Problematik verantwortungsvoll annehmen sollten.
(Koehler U, Koehler YL: „Burnout“ – Krankheit oder Folge von Stress? DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (2014), 34/35: 1731–1734)
Thieme Presseservice