Bei bis zu 0,9 Prozent aller Computertomographien (CT) und bis zu 0,06 Prozent aller Magnetresonanztomographien kommt es zu einem Austritt des Kontrastmittels in die Umgebung der Einstichstelle. „Diese Zahlen klingen zunächst gering. Da es sich aber vor allem bei der kontrastmittelgestützten CT um eine sehr häufige Untersuchung handelt, begegnet man Paravasaten und ihren Komplikationen im Klinikalltag mehrmals wöchentlich“, erklärt Professor Dr. Andreas Schreyer. Die Folgen reichen von einer Verfärbung und leichten Schwellung der Haut bis zu offenen Wunden oder einem Absterben des Gewebes. Im schlimmsten Fall könne auch eine Amputation notwendig werden.
„In der Praxis ist es wichtig, insbesondere komplizierte Verläufe frühzeitig zu erkennen und adäquat zu behandeln“, erklärt Schreyer, der bis vor Kurzem im Institut für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg arbeitete und nun als Institutsdirektor Radiologie an der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) tätig ist. Bislang fehlten jedoch einheitliche Handlungsempfehlungen. Gemeinsam mit Dr. med. Veronika Mandlik und Professor Dr. Dr. med. Lukas Prantl von der Klinik für Plastische und Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Regensburger St. Josef Krankenhauses hat er deshalb Veröffentlichungen zum Thema Kontrastmittel-Paravasate gesichtet und ausgewertet. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich auf die vergangenen 35 Jahre.
Besonders gefährdet für Komplikationen sind Menschen mit eingeschränkter Schmerzempfindung oder einem verminderten Unterhautfettgewebe, so die Autoren. Auch wenn der Lymphabfluss gestört ist, steige das Komplikationsrisiko. Betroffen sind oft Krebspatienten, die aufgrund der Erkrankung abgemagert sind und bei denen eine Chemotherapie das Gewebe geschwächt hat. Hier sollten Mediziner besonders aufmerksam sein.
Mit Blick auf die Behandlungspraxis vermissen Professor Schreyer und seine Kollegen bisher einheitliche Vorgaben, an denen sich Ärzte orientieren könnten. Einige Vorgehensweisen seien zur Erstversorgung von Paravasaten auch nicht mehr zeitgemäß: Dazu gehören Maßnahmen wie die Injektion des Enzyms Hyaluronidase. Es soll das Bindegewebe auflockern und das Abfließen des Kontrastmittels erleichtern. Auch sei es meist nicht sofort nötig, Flüssigkeiten zu injizieren, um das Gewebe zu spülen oder über Einstiche in die Haut „auszumelken“. Die Maßnahmen stammten aus einer Zeit vor 1990, als noch Kontrastmittel verwendet wurden, die wesentlich gewebeschädlicher waren.
Die Experten raten heute zunächst zu einem konservativen Vorgehen: So erleichtere die Hochlagerung der betroffenen Extremität über die Herzhöhe das Abfließen des Kontrastmittels. Kalte Umschläge könnten verhindern, dass es zu einer Entzündungsreaktion kommt.
Nur bei größeren Austritten von Kontrastmitteln von über 150 ml, sogenannten Extravasaten, sollten die Ärzte nach Einschätzung von Professor Schreyer chirurgische Maßnahmen wie eine Dränage oder Spülung in Erwägung ziehen. Wichtig sei, dass die betroffene Stelle regelmäßig beobachtet wird. Ein abgeschwächter Puls, Hautveränderungen oder Durchblutungsstörungen seien ernstzunehmende Warnsignale für eine mögliche Komplikation.
Für das genaue Vorgehen haben Schreyer und seine Kollegen zusammen mit der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen ein Flowchart erstellt, das interessierte Ärzte über die Webseite der Deutschen Röntgengesellschaft herunterladen können.
V. Mandlik, L. Prantl, A. G. Schreyer:
Kontrastmittel-Paravasat bei CT und MRT – Aktuelle Literaturübersicht und Behandlungsstrategien
RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren 2019; 191 (1); S. 25–32
Interview mit Professor Dr. Andreas Schreyer:
Kontrastmittel-Paravasate bei CT und MRT
RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren 2018; 190 (10); S. 980–981
Pressemitteilung Thieme Kommunikation