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Wie wirksam ist “Kontrolliertes Trinken“ in der Suchttherapie?

Das „kontrollierte Trinken“ ist unter Suchtexperten umstritten. Einige sehen darin eine gute Behandlungsmöglichkeit für Menschen, die nicht zu einer völligen Abstinenz bereit sind. Andere halten die Strategie für verfehlt, da sie Alkoholabhängige in der falschen Hoffnung bestärke, dass sie ihren Konsum konstant auf einem niedrigen Niveau halten können.

Professor Dr. phil. Martin Sieber aus Zollikon bei Zürich hat Alkoholabhängige am Ende einer ambulanten Therapie nach ihrem Behandlungsziel gefragt. Ein Jahr später gaben die Teilnehmer dem Fachpsychologen für Klinische Psychologie Auskunft über ihren aktuellen Alkoholkonsum und mögliche Rückfälle seit Ende der Therapie.

Rund 70 Prozent der Personen, die sich bei der Entlassung für ein kontrolliertes Trinken entschieden hatten, teilten dem Suchtforscher mit, dass sie ihren reduzierten Alkoholkonsum nach dem Behandlungsende beibehalten oder sogar vermindern konnten. Die Hälfte erklärte, an 20 Tagen pro Monat gar keinen Alkohol zu trinken.

Patienten, die sich für eine komplette Abstinenz entschieden hatten, schnitten jedoch insgesamt noch besser ab. Fast neun von zehn (89,1 Prozent) gelang es, im ersten Jahr nach der Behandlung auf einen problematischen Alkoholkonsum zu verzichten. Mit dem kontrollierten Trinken gelang dies weniger als der Hälfte (44,7 Prozent). Ein problematischer Alkoholkonsum liegt dann vor, wenn die Personen mehrmals in der Woche Alkohol trinken und es bei einzelnen Gelegenheiten mehr als sechs Getränke werden.

Auch die Anzahl derer, die aufgrund von Alkoholexzessen erneut in einer ambulanten oder stationären Therapie waren, war unter den Patienten, die eine Abstinenz angestrebt hatten, geringer. Einige von ihnen wurden zwar rückfällig, doch sieben von zehn (71 Prozent) hatten es geschafft, auf übermäßigen Alkoholkonsum zu verzichten. Mit dem Therapieziel „kontrolliertes Trinken“ war dies nur jedem Dritten (36 Prozent) gelungen.

Das kontrollierte Trinken ist deshalb mit höheren finanziellen Belastungen für die Gesellschaft verbunden, schreibt Professor Sieber. Die durch die ambulante und stationäre Behandlung und die durch Arbeitsausfälle entstandenen Folgekosten betrugen im Durchschnitt fast 10 000 Franken pro Jahr gegenüber etwa 3000 Franken bei den Personen, die sich für die Abstinenz entschieden hatten.

Der Suchtexperte hält die Abstinenz insgesamt für die erfolgversprechendere Strategie. Andererseits sollte Personen, die dazu nicht bereit sind, die Möglichkeit des kontrollierten Trinkens nicht verwehrt werden, gibt der Psychotherapeut abschließend zu bedenken.

M. Sieber:
Ist ambulante Suchthilfe auch dann wirksam und kosteneffektiv, wenn Klienten „Kontrolliertes Trinken“ oder andere Zielsetzungen präferieren?
Suchttherapie 2018; online erschienen am 12.11.2018


Pressemittelung Thieme Gruppe, Stuttgart