Die Forscher griffen für ihre Untersuchung auf Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) zurück. Diese basieren auf einer repräsentativen Wiederholungsbefragung im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und geben Auskunft zu Fragen über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit. Zurzeit werden in Deutschland jährlich über 25.000 Menschen in rund 12.000 Haushalten befragt. „Da auch Todesfälle erfasst werden, sind Mortalitätsanalysen vor dem Hintergrund zahlreicher sozialer Informationen möglich“, erklärt Laura Arnold. Für ihre Studie verwendeten die Ravensburger Wissenschaftler die Daten aus den Jahren 1998 bis 2013.
Das SOEP gibt Auskunft über drei verschiedene Statusindikatoren: Einkommen, Bildungsstand und die Zufriedenheit mit dem eigenen Lebensstandard. Bei der Auswertung, in die Daten von insgesamt 6963 Männern und 7461 Frauen eingingen, zeigte sich, dass vor allem die subjektive Zufriedenheit einen großen Einfluss auf das Mortalitätsrisiko hat.
Unzufriedene Männer haben ein fast doppelt so hohes Mortalitätsrisiko, Männer mit mittlerer Zufriedenheit noch immer ein um 25 Prozent höheres Risiko als Männer mit hohen Zufriedenheitswerten. Dieser Unterschied blieb bestehen, auch wenn mögliche Einflussfaktoren wie Alter, Tabakkonsum oder Familienstand berücksichtigt wurden.
Die aktuelle Untersuchung bestätigt eine Vielzahl früherer Studien, nach denen der Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage bei Männern besonders ausgeprägt ist. Stärker als Frauen leiden sie unter einer niedrigen sozialen Stellung oder auch nur unter dem Gefühl, im Vergleich zu anderen schlechter gestellt zu sein. Warum das Statusunbehagen nur bei Männern gesundheitliche Auswirkungen zeigt, dort aber in starker Ausprägung, können auch die Ravensburger Forscher nicht sicher beantworten.
„Hier können männliche Rollenerwartungen ebenso zum Tragen kommen wie die Angst vor sozialem Versagen“, so Arnold. Die Verbindung zwischen sozialem Stress und körperlichen Erkrankungen laufe vermutlich über die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, kurz HPA-Achse, über die letztlich das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird. Dauerhaft hohe Cortisol-Werte können wiederum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Krankheiten erhöhen.
Gerade im Hinblick auf die aktuell zu beobachtende Zunahme der sozialen Ungleichheit erscheint eine Prävention schwierig. Laura Arnold weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die subjektiv empfundene Statusunzufriedenheit ohnehin einen deutlich größeren Einfluss auf die Mortalität hat als die objektiven Parameter Einkommen und Bildungsstand. Gar nicht selten decke sich die Selbsteinschätzung nur schlecht mit dem objektiven Status. Daher gelte es, vor allem diejenigen Faktoren zu identifizieren, über die sich die subjektive Zufriedenheit beeinflussen lasse – um den Männern zumindest einen Teil ihrer sozialen Stressbelastung zu nehmen.
L. Arnold, B. U. Keller, A. Lange, B. Szagun:
„Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Zufriedenheit mit dem Lebensstandard als geschlechtsspezifischer Mortalitätsprädiktor
Das Gesundheitswesen 2016; online erschienen am 23.3.2016
DOI: 10.1055/s-0042-102348