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Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 16.10.2023 – C-307/22

Leitsätze:

1. Die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, gilt auch dann, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes der Datenschutzgrundverordnung genannten Zwecken begründet wird.

2. Eine nationale Regelung, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erlassen wurde, kann in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen. Eine solche Möglichkeit erlaubt es jedoch nicht, eine nationale Regelung zu erlassen, die der betroffenen Person zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verantwortlichen die Kosten für eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung durch den Verantwortlichen sind, auferlegt.

3. Im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses umfasst das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten überlassen wird. Dieses Recht setzt voraus, eine vollständige Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in der Patientenakte befinden und unter anderem diese Daten enthalten, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie erforderlich ist, um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu gewährleisten. In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst.

Anmerkungen der Redaktion:

  • Die Entscheidung ist ergangen aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des BGH. Bei der nationalen Regelung handelt es um § 630 g Abs. 2 BGB.
  • Die Entscheidung zeigt die mögliche, unmittelbare Bedeutung des EU-Rechts, hier der (EU-)Datenschutzgrundverordnung, und des EuGH als zuständiges höchstes Gericht für die Rechtsanwendung in Deutschland – auch  für Ärzte und medizinische Sachverständige.
  • Der Langtext der Entscheidung des EuGH ist zu finden unter
  • https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=279125&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1 .

    Redaktionell überarbeitete Fassung
    eingereicht von P. Becker, Kassel