Leitsätze:
1. Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenkonflikt sind dann nicht gegeben, wenn der Sachverständige zu keinem der Beteiligten in rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Beziehung steht.
2. Ein angeblicher Mangel der Qualifikation des bestellten Sachverständigen rechtfertigt nicht die Ablehnung wegen Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft.
Aus den Gründen:
(1) Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 10.05.2013, mit dem sein gegen den Sachverständigen Dr. Q gerichtetes Befangenheitsgesuch zurückgewiesen wurde, ist nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, ...
(2) Das Ablehnungsgesuch ist jedoch nicht begründet. Das SG hat das Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. Q zu Recht abgelehnt. Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO An-wendung findet, kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es einerseits nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines Beteiligten oder seine Besorgnis, der Sachverständige sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Sachverständige werde nicht unparteilich sein (std. Rechtsprechung, vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 12.07.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 –, vom 05.04.1990 – 2 BvR 413/88 – und vom 02.12.1992 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 5/92 –; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 10.12.2010 – B 4 AS 97/10 B –; Senat, Beschlüsse vom 19.10.2011 – L 11 SF 274/11 AB – und 22.02.2010 – L 11 AR 140/09 AB –).
(3) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die als zutreffend erachteten Ausführungen des SG (§ 153 Abs. 2 SGG analog). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der vom SG berufene Sachverständige gerade nicht in den Diensten eines der Beteiligten des Rechtsstreits steht. Er steht auch zu keinem dieser Beteiligten in rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Beziehung, so dass kein Anhaltspunkt für einen ansonsten möglichen Interessenkonflikt besteht. Es liegt somit kein Grund vor, der den Kläger von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Sachverständige werde nicht unparteilich sein. Dementsprechend hat der erkennende Senat auch in seinem Beschluss vom 28.11.2012 – L 11 KR 335/12 B – eine Befangenheit des Sachverständigen verneint. Auch dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Sachverständige für den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) der Knappschaft-Bahn-See tätig war. Im Hinblick auf diesen Beschluss führt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung lediglich aus, es dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass kein Anhaltspunkt für einen ansonsten möglichen Interessenkonflikt bestehe. Er legt aber nicht dar, wo hier ein solcher Interessenkonflikt bestehen könnte. Dieser ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Klägers auf das Urteil des BSG vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R –. Denn der Sachverständige ist nicht bei dem medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), sondern beim SMD beschäftigt. Es handelt sich dabei jedoch um unterschiedliche Organisationen.
(4) Sofern der Kläger in seiner Beschwerdebegründung erneut rügt, dass der Sachverständige Internist sei, während es sich vorliegend um eine geriatrische Fallgestaltung handele, kann er mit diesem Vortrag im Rahmen der Befangenheitsbeschwerde nicht durchdringen. Andere Bedenken gegen den Sachverständigen als die Befürchtung, dieser werde nicht unvoreingenommen sein Gutachten erstatten, können mit dem Ablehnungsgesuch nicht geltend gemacht werden. Insbesondere rechtfertigt ein angeblicher Mangel der Qualifikation des bestellten Gutachters nicht die Ablehnung wegen Befangenheit (Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage 2012, § 60 Rdn. 73). Ein Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeit oder Fehlerhaftigkeit kann ein Gutachten zwar entwerten, aber für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit rechtfertigen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04 –). Ein solcher Vorwurf begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft. Der mangelnden Kompetenz eines Sachverständigen sehen sich beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Eine Voreingenommenheit zu Ungunsten einer Partei lässt sich darauf i.d.R. nicht ableiten (LSG Bayern, Beschluss vom 19.11.2009 – L 2 B 951/08 U –, Beschluss vom 01.09.2009 – L 2 B 1115/08 R –, LSG Berlin, Beschluss vom 02.05.2003 – L 15 a 10/03 –).
(5) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Redaktionell überarbeitete Fassung
eingereicht von P. Becker, Kassel