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LSG NRW, Beschluss vom 06.09.2013 — L 15 U 589/12 B

LS:

  1. Eine über das „normale“ Honorar hinausgehende zusätzliche Vergütung erhält der Sachverständige nur für besondere Leistungen nach der Anlage 2 zum JVEG oder des Abschnittes O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ.
  2. Die Ultraschalluntersuchung eines Organs gehört nicht zum Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ; dagegen wird eine zweidimensionale Doppler-echokardiographische Untersuchung mit Bilddokumentation als elektrophysiologische Untersuchung eingestuft und nach der Anlage 2 zum JVEG honoriert.

Aus den Gründen:

(1–4) … Gestritten wird um die Vergütung wegen der vom Beschwerdeführer angegebenen Gebührennummern … der Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) …

(5) Sachverständige erhalten gemäß § 8 Abs. 1 JVEG ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 – 11), Fahrtkostenersatz (§ 5), Entschädigung für Aufwand (§ 6) sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12). Das Honorar für die Leistung des Sachverständigen wird nach Maßgabe von § 9 JVEG als Vergütung für die erforderliche Zeit festgesetzt. Der teilweise vorgetragenen Anregung, die Sachverständigenvergütung auf der Grundlage der für die jeweiligen Berufsgruppen geltenden Vergütungsordnungen zuzulassen, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt (Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage, § 9 Rnr. 9.3). Auch die Novellierung des JVEG durch das zum 01.08.2013 in Kraft getretene 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (Gesetz vom 23.07.2013, BGBl. I S. 2586) enthält keine dahingehenden Regelungen. Soweit der Sachverständige besondere Leistungen erbringt, sieht § 10 Abs. 1 JVEG eine zusätzliche Vergütung nach der Anlage 2 zum JVEG vor. Für Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ bezeichneten Art (Nrn. 5000 – 5380) erhält der Sachverständige gemäß § 10 Abs. 2 JVEG in entsprechender Anwendung des Gebührenverzeichnisses ein Honorar nach dem 1,3-fachen Gebührensatz.

(6) Die Nrn. 410 und 420 gehören nicht zum Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ. Die Ultraschalluntersuchung eines Organs (Nr. 410) und die Ultraschalluntersuchung von bis zu drei weiteren Organen im Anschluss an eine Leistung nach den Nrn. 410 bis 418, je Organ (Nr. 420) sind auch in der Anlage 2 zum JVEG unter den dort genannten Leistungen nicht aufgeführt. Diese Untersuchung wird nicht als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen von der Nr. 305 der Anlage 2 erfasst. Die Ultraschalluntersuchung, auch Sonographie oder Echographie genannt, verwendet Ultraschall als bildgebendes Verfahren zur Untersuchung von organischen Geweben. Bei der elektrophysiologischen Untersuchung werden hingegen durch Messung elektrischer Körperströme Funktionssysteme des Nervensystems beurteilt. Die am Schädel, an den Nerven oder in der Muskulatur gemessenen elektrischen Spannungen werden entweder spontan oder durch willkürliche Bewegungen vom Körper erzeugt oder durch spezifische Reize, z. B. Töne oder kurze Stromreize im Körper ausgelöst. Während bei der Ultraschalluntersuchung Körpergewebe (Organe) und Blutfluss untersucht werden, erlaubt die elektrophysiologische Untersuchung die Messung von Körperströmen. Mithin unterscheiden sich die Ultraschalluntersuchung und die elektrophysiologische Untersuchung sowohl durch die Methodik bei der Untersuchung als auch hinsichtlich der untersuchten Körperfunktionen derart deutlich, dass auch eine erweiternde Auslegung es nicht erlaubt, die Ultraschalluntersuchung mehrerer Organe als elektrophysiologische Untersuchung zu interpretieren. Allein der Umstand, dass das zur Ultraschalluntersuchung genutzte Gerät mit elektrischem Strom versorgt wird, reicht nicht aus, um die Ultraschalluntersuchung begrifflich als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen aufzufassen. Ebenso wenig kann eine erweiternde Auslegung darauf gestützt werden, dass bei bestimmten Formen der elektrophysiologischen Untersuchung auch Schallwellen (Töne) eingesetzt werden, um elektrische Spannungen auszulösen und diese sodann zu messen. Einer erweiternden Auslegung der Nrn. 410 und 420 GOÄ oder der Nr. 305 der Anlage 2 zum JVEG steht außerdem entgegen, dass kostenrechtliche Regelungen ihrem Begriffsinhalt nach klar umrissen sein müssen und deshalb einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich sind.

(7) Im vorliegenden Fall wird allerdings deutlich, dass der Beschwerdegegner irrtümlich davon ausging, die Durchführung der Ultraschalluntersuchung und deren Auswertung sei nicht im Rahmen der Zeitvergütung nach § 9 JVEG sondern als zusätzlicher Aufwand zu honorieren. Dies hat zur Folge, dass der zusätzliche Zeitaufwand durch diese Untersuchung und deren Auswertung nunmehr gesondert zu berücksichtigen ist. Der im Schreiben des Beschwerdegegners vom 14.03.2013 angegebene Zeitaufwand von 30 Minuten erscheint auch unter Beachtung des objektivierten Maßstabs bei der Berücksichtigung des Zeitaufwands, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, berücksichtigungsfähig. Daher ist es angemessen, für den Arbeitsschritt Untersuchung und Anamnese insgesamt 1 ½ Stunden in Ansatz zu bringen.

(8) Die Leistung nach Nr. 424 (Zweidimensionale Doppler-echokardiographische Untersuchung mit Bilddokumentation – einschließlich der Leistung nach Nr. 423 – Duplex-Verfahren) einschließlich der Zusatzleistungen nach Nrn. 405 und 406 der Anlage zur GOÄ wird jedoch als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen von der Nr. 305 der Anlage 2 erfasst. Das hat die unter den Beteiligten des Beschwerdeverfahrens durchgeführte Besprechung ergeben, die zum Verfahren beigezogen wurde und die den Beteiligten bekannt ist. Demnach läuft bei der zweidimensionalen Doppler-echokardiographischen Untersuchung das Elektrokardiogramm (EKG) mit. Diese Untersuchung kann daher als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen eingestuft und nach Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG honoriert werden. Das Honorar nach Nr. 305 beträgt 13,00 Euro – 115,00 Euro. Der vom Sachverständigen in Ansatz gebrachte Betrag von insgesamt 76,36 Euro (53,04 + 11,66 + 11,66) erscheint innerhalb des Gebührenrahmens nicht überhöht.

(9–11) Daraus folgt eine um 30 Euro höhere Zeitvergütung, der eine Kürzung um 33,34 Euro (15,16 Euro und 18,18 Euro) gegenübersteht. Die festzusetzende Vergütung beträgt daher vor Steuern 716,92 Euro ...

Redaktionell überarbeitete Fassung

eingereicht von P. Becker, Kassel