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LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8.7.2021 – L 3 R 315/20

Schlagwörter: Sachverständiger – Gutachten – Befangenheit – Verhalten Kläger – fehlende Mitwirkung

Leitsätze:

Eine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen setzt regelmäßig voraus, dass der bestellte Sachverständige mit Erfolg abgelehnt worden ist. Dies verlangt einen solchen Mangel des erstellten Gutachtens, der eine erneute Begutachtung zur hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts erforderlich macht.

Der Auffassung des Klägers, er könne durch die fehlende Mitwirkung an den Untersuchungen oder durch konfrontatives Verhalten gegenüber Sachverständigen eine weitere Begutachtung erzwingen, ist nicht zu folgen.

Aus den Gründen:

(23) Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. … Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. …

(27) Bezüglich des Leistungsbildes stützt sich der Senat auf die überzeugenden Feststellungen in den Gutachten von H. und M1., die sich in den wesentlichen Punkten decken.

(28) Soweit der Kläger im Berufungsverfahren eine fehlende Unvoreingenommenheit des gerichtlichen Sachverständigen M1. rügt, hat der Kläger vor dem insoweit zuständigen erstinstanzlichen Gericht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 406 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung [ZPO]) einen Antrag, der als Gesuch, den Sachverständigen wegen der Besorgnis einer Befangenheit abzulehnen, auszulegen sein könnte, nicht gestellt und - was in prozessualer Sicht entscheidend ist - in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht im Übrigen einen Sachantrag gestellt, ohne ein Befangenheitsgesuch anzubringen oder einen Beweisantrag zu stellen. Ein gegen einen Sachverständigen gerichtetes Befangenheitsgesuch kann im Übrigen nach § 406 Abs. 2 ZPO regelmäßig nur binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung oder später nur zu dem frühesten insoweit möglichen Zeitpunkt gestellt werden.

(29) Der Auffassung des Klägers, er könne durch die fehlende Mitwirkung an den Untersuchungen bei H. und M1. eine weitere Begutachtung erzwingen, ist nicht zu folgen. Dem steht bereits entgegen, dass nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 412 Abs. 2 ZPO eine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen regelmäßig voraussetzt, dass der bestellte Sachverständige mit Erfolg abgelehnt worden ist. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen M1. leidet auch nicht unter Mängeln, die eine erneute Begutachtung durch diesen oder einen anderen Sachverständigen zur hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts erforderlich machen könnten (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO).

(30) Aus Sicht des Senats bestehen keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des gerichtlichen Sachverständigen begründen und bei objektiver Betrachtung im Rahmen der Beweiswürdigung gegen eine Verwertbarkeit des Gutachtens von M1. sprechen könnten. Die Eskalation bei dem gerichtlichen Sachverständigen ist nicht als punktuelles Ereignis, sondern im Rahmen einer Mittel-Zweck-Relation zu würdigen. Ein konfrontatives Verhalten des Klägers zieht sich durch das gesamte Verwaltungs- und Klageverfahren, insbesondere mit der Androhung von Schadensersatzansprüchen, soweit seinem Anliegen nicht entsprochen werde. Der gerichtliche Sachverständige M1. hat auch nicht etwa auf eine Leistungseinschätzung verzichtet, sondern ausführlich begründet, dass die ihm vorliegenden Untersuchungsbefunde eine hinreichende Grundlage für eine abschließende Feststellung bieten.

(31) Die Leistungseinschätzung des Senats wird u. a. auch durch das von dem Kläger für seine gegensätzliche Auffassung in Anspruch genommene Gutachten des MDK vom 24. Juli 2012 gestützt, in dem ein (deutlich oberhalb des vom Senat zugrunde gelegten positiven Leistungsbildes liegendes) verwertbares Restleistungsvermögen des Klägers angenommen wird. …

Redaktionell überarbeitete Fassung
eingereicht von P. Becker, Kassel