Leitsatz:
Die gerichtliche Zustimmung zu einer besonderen (erhöhten) Vergütung nach § 13 JVEG kann nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Gründe erteilt werden, die z. B. in der besonders großen Sachkunde und Kompetenz eines Sachverständigen oder einer besonders schwierigen Beweisfrage (sog. Seltenheitsfall) liegen können.
Tenor:
Das mit Beweisanordnung vom 23. Januar 2018 beauftragte Gutachten in dem Verfahren Az: L 1 U 452/14 wird mit der Honorargruppe M 3 vergütet.
Aus den Gründen:
I. In dem Kostenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren L 1 U 452/14 ist streitig, welche Gesundheitsstörungen im Sinne der wesentlichen Bedingung durch ein Ereignis vom 25. Oktober 2004 verursacht worden sind. Insbesondere ist zu prüfen, ob als Unfallfolge ein Knorpelschaden IV. Grades und ein Lumbalsyndrom im Bereich der unteren Lendenwirbel anzuerkennen sind. Darüber hinaus ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu klären.
Der Antragsteller, der aufgrund eines Antrages des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden ist, hat mit Schreiben vom 15. Februar 2018 und 07. April 2018 gemäß § 13 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) eine richterliche Zustimmung für eine spätere Abrechnung mit einem erhöhten Stundensatz von 130,00 Euro die Stunde beantragt und ausgeführt, es handele sich um eine Begutachtung mit einem deutlich erhöhtem Schwierigkeitsgrad wegen der Komplexität des Sachverhaltes.
Der Antragsgegner hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Kläger in dem Verfahren L 1 U 452/14 hat sein Einverständnis mit diesem höheren Stundensatz erteilt. …
II. Der Antrag vom 15. Februar/7. April 2018 ist zulässig. Nach § 9 Abs. 1 JVEG bestimmt sich die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1 (Satz 2); § 4 JVEG gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Beschwerde auch zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro nicht übersteigt (Satz 3). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht dies für angemessen hält. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Regelung soll es einem Sachverständigen ermöglichen, schon sehr frühzeitig Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der zu erwartenden Leistungen und über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Beurteilungsfaktor zu erlangen; gleichzeitig dient sie der Rechtsfortbildung (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 19. April 2007 – L 6 SF 11/07). Dasselbe gilt für den Fall, dass eine besondere Vergütung nach § 13 JVEG vereinbart werden soll.
§ 13 Abs. 1 S. 1 JVEG sieht eine besondere Vergütung vor, wenn sich die Parteien dem Gericht gegenüber mit einer bestimmten oder abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung einverstanden erklärt haben und ein ausreichender Betrag an die Staatskasse gezahlt worden ist.
Es kann offen bleiben, inwieweit die Vorschrift des § 13 Abs. 1 JVEG überhaupt in einem sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet. Hintergrund hierfür ist, dass im sozialgerichtlichen Verfahren bei Gutachten von Amts wegen in den Fällen, in denen sowohl Kläger als auch Beklagter zu dem Kreis des § 183 SGG gehören, die Entschädigung für den Gutachter immer durch die Staatskasse zu tragen ist. Vereinbarungen zwischen den Prozessbeteiligten zu Lasten der Staatskasse sind aber grundsätzlich unzulässig (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg vom 15. September 2004 – L 12 U 3685/04; Reyels, jurisPR-SozR 14/2007 Anm. 6 zu Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 19. April 2007, L 6 SF 11/07). Allerdings könnte eine Abweichung bei einem Gutachten nach § 109 SGG möglich sein (vgl. dazu eingehend die Anmerkung von Reyels, a.a.O.), weil zwar im Anwendungsbereich des § 109 SGG die Kosten nachträglich auf die Staatskasse übernommen werden können, zugleich aber die Möglichkeit besteht, die Übernahme der Kosten von vorneherein auf eine reguläre Vergütung nach dem JVEG zu begrenzen. Dies bedarf im vorliegenden Fall aber keiner Klärung. Denn das Gutachten des Antragstellers ist nach der Honorargruppe M3 zu vergüten.
In der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG werden die medizinischen Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in drei Honorargruppen (M 1 – M 3) eingeteilt. Die Honorargruppe M 3 ist danach zu vergeben bei der Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge insbesondere bei problematischen Verletzungsfolgen. Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall wegen der Prüfung des Vorliegens weiterer Folgen aus dem Unfallereignis vom 25. Oktober 2004 die Honorargruppe M 3 angemessen ist. Der Antragsteller hat unter Beachtung der aktuellen Leitlinien und des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes darzulegen, welche Folgen der anerkannte Arbeitsunfall vom 25. Oktober 2004 verursacht hat. Ein solches Gutachten ist mit der höchsten Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 JVEG zu vergüten.
Die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines höheren Honorars nach § 13 Abs. 2 JVEG in Höhe von 130,00 Euro liegen nicht vor. Zwar hat der Kläger einem Stundenhonorar in Höhe von 130,00 Euro zugestimmt. Jedoch genügt nach § 13 Abs. 2 JVEG die Erklärung einer Partei nur, wenn das Gericht zustimmt. Die Zustimmung soll nach § 13 Abs. 2 Satz 2 JVEG nur erteilt werden, wenn sich zu dem gesetzlich bestimmten Honorar keine geeignete Person zur Übernahme der Tätigkeit bereit erklärt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Zustimmung liegen nicht vor. Sie kann grundsätzlich nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Gründe erteilt werden. Solche besonderen Gründe können in der besonders großen Sachkunde und Kompetenz eines Sachverständigen oder einer besonders schwierigen Beweisfrage (sog. Seltenheitsfall) zu sehen sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen scheidet bereits deshalb aus, weil im gerichtlichen Verfahren von Amtswegen nach § 106 SGG bereits zwei Sachverständige (Dr. Sch., Gutachten vom 2. April 2015 und Dr. N., Gutachten vom 20. September 2017) ein orthopädisch-unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten zu einem Stundensatz von M 3 erstellt haben. Dies schließt es aus, von einem sogenannten Seltenheitsfall auszugehen. Insoweit kann für ein Gutachten nach § 109 SGG nichts anderes gelten.
Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass für eine besondere Komplexität des Sachverhalts auch ansonsten nichts ersichtlich ist. Zu beurteilen sind bestimmte Kausalzusammenhänge im Bereich des unfallchirurgischen Fachgebiets. Soweit eine erhebliche Anzahl bildgebender Befunde und eine umfangreiche Verwaltungsakte auszuwerten sind, rechtfertigt dies ausschließlich einen höheren Zeitaufwand im Rahmen des Aktenstudiums bzw. der Begutachtung selbst.
Das Verfahren ist gebührenfrei …
Redaktionell überarbeitete Fassung, eingereicht von P. Becker, Kassel