Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 11.9.2014 – 7 OA 39/13

Leitsätze:

1. Der Aufwand für ein selbstentwickeltes Softwareprogramm stellt keine aufgewendeten besonderen Kosten dar, die nach dem JVEG im Rahmen eines Sachverständigengutachtens gesondert ersatzfähig wären.

2. Materielle Einwände gegen die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens sind im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu beachten.

Aus den Gründen:

(1) Die gemäß § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde … ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. ....

(2) I. Stundenansätze

(3–4) …

(5) Es besteht dagegen auch auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens keine ausreichende Grundlage, die weiteren Stundenansätze des Sachverständigen zu beanstanden. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass konkrete Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewendete Zeit richtig sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.06.1995 – 10 WF 5/95 –, JurBüro 1996, S. 43; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.12.2010 – 13 W 41/09 –, juris). Auch wenn einzelne Stundenansätze nicht völlig plausibel erscheinen, ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitsweise dem gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich selbst überlassen bleibt (BGH, Beschl. v. 15.02.2011, aaO; OLG München, Beschl. v. 22.02.2014 – 11 W 40/14 –, IBR 2014, 185 mwN). Ein Anlass zur Nachprüfung besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint ...

(6) II. Kosten für Rechenleistung

(7) Nicht anerkennungsfähig sind die vom Gutachter in Ansatz gebrachten „Kosten für die Zurverfügungstellung von Rechenleistung“ von (je) 3.750,- € zuzügl. Umsatzsteuer.

(8) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG in der hier anzuwenden Fassung sind mit der Vergütung nach den §§ 9 bis 11 JVEG grundsätzlich auch die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten. Gesondert ersetzt werden daneben nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG (nur) die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte, sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge.

(9) Solche gesondert abrechnungsfähigen Aufwendungen sind dem Sachverständigen durch den Einsatz des von ihm selbst entwickelten und in seinem Eigentum befindlichen Simulationsprogramms „C.“ nicht entstanden. Er musste keine „besonderen“ Kosten „aufwenden“, um das Programm für die Abwicklung des Gutachtenauftrags nutzen zu können; bei der Software handelt es sich auch nicht um „Werkzeug“, das für die Untersuchung „verbraucht“ worden wäre. § 12 Abs. 1 Nr. 1 JVEG setzt voraus, dass dem Gutachter besondere Aufwendungen aus Anlass der konkreten Gutachtenerstellung entstanden sind (sog. „Einzelkosten“; Hartmann, KostG, § 12 JVEG Rn. 1); kalkulatorische Abschreibungen auf Hilfsmittel oder Entwicklungskosten für eingesetzte EDV-Technik gehören dazu nicht. Technischer Aufwand für die Gutachtenerstellung kann allenfalls dann zu einer über die stundensatzmäßige Vergütung der §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 JVEG hinausgehenden Vergütung führen, wenn die Anschaffungskosten keine „üblichen Gemeinkosten“ sind (KG Berlin, aaO; vgl. auch OLG Schleswig, Beschl. v. 06.10.2005 – 1 Ws 221/05 –, juris). Abgesehen davon, dass es bei der Selbstentwicklung von Software – wie hier – an derartigen Anschaffungskosten fehlt, zählen nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes zur Einführung des § 12 JVEG zu den üblichen Gemeinkosten u.a. „Aufwendungen, die sich aus einer angemessenen Ausstattung mit technischen Geräten ... ergeben“, weil diese Aufwendungen bei der Regelung der Honorargruppen berücksichtigt worden und daher vom Stundenhonorar des JVEG abgedeckt seien (BT-Drucks.15/1971 S. 177 ff.; KG Berlin, Beschl. v. 24.03.2009 – 2 U 76/06 –, juris). Simulationssoftware, mit der die Modellannahmen berechnet werden können, gehört indes zur angemessenen technischen Ausstattung eines hydrologischen Gutachters, der hier immerhin nach Honorargruppe 9 gem. § 9 Abs. 1 JVEG vergütet wird. Sie ist daher zu den üblichen Gemeinkosten zu zählen, die nicht noch einmal gesondert bei der Vergütung in Anrechnung gebracht werden kann.

(10) III. Materielle Einwände

(11) Soweit der Kläger das Gutachten des Sachverständigen kritisiert, das seines Erachtens wesentliche Fragen nicht oder nicht ausreichend bzw. unzutreffend behandelt, handelt es sich um materielle Einwände, die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht relevant sind. Der von Gericht bestellte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags (BayVGH, Beschl. v. 22.11.2007 – 8 C 07.1535 –, juris; ThürOVG, Beschl. v. 29.12.2009 – 4 VO 1005/06 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.08.2012 – 2 S 1538/12 –, juris). Seine Vergütung bezieht sich nicht auf ein Werk, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts, die er in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbringt. Demzufolge sind sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens kein Maßstab für die Höhe der dem Sachverständigen zu gewährenden Entschädigung; es kommt lediglich darauf an, dass die Leistung überhaupt erbracht wurde, nicht etwa auch darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen. Der Honoraranspruch steht dem Sachverständigen daher selbst dann zu, wenn das Gericht das Gutachten nicht für überzeugend erachtet und deshalb nicht zur Grundlage seiner Entscheidung macht (VGH Baden-Württemberg, aaO). Der Entschädigungsanspruch ist nur dann ausnahmsweise zu versagen, wenn das Gutachten wegen objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und der Sachverständige die Unverwertbarkeit verschuldet hat (Thür OVG, aaO mwN; VGH Baden-Württemberg, aaO). Unerheblich ist dagegen, wenn eine Partei aus subjektiven Gründen das Gutachten für nicht nachvollziehbar und damit unbrauchbar hält (BayVGH, aaO). Es kann daher dahinstehen, ob die vom Kläger insoweit erhobene Kritik, zu der der Gutachter Stellung genommen und diesem seinerseits Missverständnisse vorgehalten hat, zutrifft. Denn die genannten Voraussetzungen liegen erkennbar nicht vor. …

Redaktionell überarbeitete Fassung eingereicht von P. Becker, Kassel