Leitsatz:
Die Vergütung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nur zu kürzen, wenn er auf die (erhebliche) Überschreitung des Kostenvorschusses schuldhaft nicht hingewiesen hat und ihm ausdrücklich mitgeteilt wurde, ob und in welcher Höhe ein Vorschuss eingezahlt worden ist.
Aus den Gründen:
I. (1) Der in Süddeutschland wohnende Antragsteller (Ast.) wurde durch den Senat zum Sachverständigen bestellt und zunächst mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 18.11.2013 um ergänzende Ausführungen des Gutachters zu bestimmten Punkten gebeten hatte, wurde durch Verfügung vom 03.01.2014 Termin anberaumt. In der Terminsverfügung wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass fraglich erscheine, ob die vom Kläger aufgeworfenen Fragen tatsächlich noch klärungsbedürftig seien. Für den Fall, dass der Kläger dennoch eine mündliche Erläuterung für erforderlich halte, wurde ihm aufgegeben, einen weiteren Kostenvorschuss in Höhe von 1.000 EUR einzuzahlen. Der Kläger zahlte diesen Vorschuss ein und kündigte eine ergänzende Stellungnahme an. Daraufhin wurde der Ast. zum Senatstermin geladen. Dem Ladungsschreiben wurden Ablichtungen der nach Gutachtenserstellung eingegangenen Schriftsätze sowie eine Ablichtung der Ladungsverfügung beigefügt. Im Senatstermin erläuterte der Ast. sodann sein Gutachten und beantwortete ergänzende Fragen. Für die ergänzende Tätigkeit berechnete er einen Betrag von 2.314,55 EUR. ...
(2–3) Der Kostenbeamte zahlte einen Betrag von 1.000 EUR aus und verwies den Antragsteller im Übrigen auf die Regelung des § 8a Abs. 4 JVEG. Da er es unterlassen habe, die Überschreitung des Kostenvorschusses anzuzeigen, sei seine Vergütung nur in Höhe des Vorschusses auszuzahlen. Der Ast. beantragt die Festsetzung des von ihm berechneten Betrages und beruft sich auf § 8a Abs. 5 JVEG. Die Anforderung eines Vorschusses von lediglich 1.000 EUR sei ihm nicht bekannt gewesen. ....
II. (4–6) Das dem Sachverständigen zu zahlende Honorar ist entsprechend seiner Liquidation vom 05.04.2014 auf 2.314,55 EUR festzusetzen …
(7) Der Anspruch des Antragstellers ist auch nicht gem. § 8a Abs. 4 JVEG zu kürzen.
(8) Zwar übersteigt die geforderte Vergütung den Auslagenvorschuss auch unter Berücksichtigung des verbliebenen Überschusses aus der Abrechnung der schriftlichen Gutachtertätigkeit. Der Ast. hat hierauf auch nicht gem. § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO hingewiesen. Allerdings ist § 8a Abs. 4 JVEG nicht anwendbar, da der Antragsteller die Verletzung der Hinweispflicht aus § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht zu vertreten hat.
(9) Zu vertreten hat der Sachverständige jedes schuldhafte Verhalten, also Vorsatz und Fahrlässigkeit; dabei muss er bei einem objektiven Verstoß gegen § 407 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Umstände darlegen, aus denen sich das fehlende Verschulden ergibt (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum 2. KostRModG vom 14.11.2012, BT-Drucksache 17/11471 S. 260; Binz in Binz/Dörndorfer, 3. Auflage 2014 § 8a JVEG Rn. 17). Einen solchen Umstand hat der Sachverständige hier mit seinem Hinweis dargelegt, dass ihm die Anforderung des Kostenvorschusses nicht bekannt war.
(10) Dass diese Angabe nicht zutrifft, lässt sich nicht feststellen. Dem Sachverständigen wurde nicht ausdrücklich mitgeteilt, ob und in welcher Höhe ein Vorschuss eingezahlt worden ist. Das Anschreiben zur Ladung enthält insoweit keinen Hinweis.
(11) Der Sachverständige hätte den vom Kläger angeforderten Kostenvorschuss auch nicht aufgrund der beigefügten Ablichtung der Ladungsverfügung und der nach der Erstellung des Gutachtens eingereichten Schriftsätze kennen müssen.
(12) Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass sich aus dem Hinweis an die Parteien die Anforderung von 1.000 EUR für den Fall des aufrecht erhaltenen Antrages zur Ladung des Klägers entnehmen ließ. Der Betrag ist auch fett gedruckt, so dass er ihm bei beiläufiger Kenntnisnahme des Inhalts des Hinweises hätte auffallen können. Auch ergibt sich – worauf das Dezernat 10 in seiner Stellungnahme mit Recht hinweist – die Anforderung des weiteren Vorschusses aus dem übersandten Schriftsatz vom 11.02.2014 (Bl. 292 d. A.).
(13) Es kann dem Sachverständigen jedoch nicht vorgeworfen werden, wenn er diese Angaben überlesen hat oder sie bereits deshalb nicht zur Kenntnis genommen hat, weil er sich nicht angesprochen fühlte und ihnen für seine Tätigkeit bewusst oder unbewusst keine nähere Bedeutung beigemessen hat. Die hier bei Bearbeitung des weiteren Gutachtenauftrages erforderliche Sorgfalt erforderte nämlich nicht, dass der Sachverständige den ihm übersandten Schriftverkehr zwischen den Parteien bzw. dem Senat und den Parteien darauf überprüfte, ob er Hinweise auf die Höhe des für ihn eingezahlten Kostenvorschusses enthielt. Gerade vor dem Hintergrund der zum 01.08.2013 neu eingeführten Regelung des § 8a Abs. 4 JVEG, die bei Verletzung der Hinweispflicht erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Sachverständigen haben kann, kann dieser grundsätzlich davon ausgehen, dass er vom Gericht eine unmittelbar an ihn gerichtete klare Vorgabe zum angeforderten Vorschuss erhält. Nur dann hat er überhaupt einen Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob seine Kosten durch eine Vorschussleistung gedeckt sind. Eine derartige Vorgabe hat der Sachverständige auch mit der Übersendung der Akten zur Erstellung des schriftlichen Gutachtens erhalten (vgl. Bl. 253 d. A.), bei der hier maßgeblichen Beauftragung zur mündlichen Erläuterung jedoch nicht.
(14) Es ist auch nicht die Aufgabe des Sachverständigen, die prozessualen Abläufe zu verfolgen, nachzuvollziehen und auf mögliche Konsequenzen für seine Tätigkeit zu überprüfen. Der Sachverständige wird vielmehr zur Beantwortung fachlicher Fragen aus seinem Sachgebiet herangezogen. Im Rahmen der anstehenden mündlichen Erläuterung des Gutachtens auf Antrag des Klägers hatte er sich daher auf die vorgebrachten Einwände und Argumente zu beschränken, die seinen Fachbereich betrafen. Konkret musste er insoweit die inhaltlichen Einwände des Klägers und die eingereichten ärztlichen Berichte zur Kenntnis nehmen.
(15) Dementsprechend ist der Hinweis in der Ladungsverfügung ausdrücklich auch nur an die Parteien und nicht auch an den Sachverständigen adressiert. Er ist überschrieben „Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:“. Auch im Anschreiben an den Sachverständigen ist nicht auf die Verfügung und den Hinweis Bezug genommen.
(16) Der Sachverständige musste schließlich auch nicht aufgrund der fehlenden Angabe der Höhe eines Kostenvorschuss aufmerksam werden und nach Angaben hierzu suchen. Denn die Anforderung ist nach §§ 402, 379 Satz 1 ZPO nur möglich, aber nicht zwingend.
(17) Die Entscheidung ist unanfechtbar …
Redaktionell überarbeitete Fassung eingereicht von P. Becker