Leitsatz:
1. In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind die notwendigen Bestandteile eines sozialmedizinischen Gutachtens Anamneseerhebung, Aufnahme der Beschwerden, fachspezifischer Befund und allgemeiner körperlicher Befund, Diagnosestellung, gutachtliche Wertung der Ergebnisse sowie die Beantwortung der explizit gestellten Beweisfragen.
2. Liegt zu der streitgegenständlichen Frage ein diese Anforderungen wahrendes schlüssiges sozialmedizinisches (gerichtliches) Gutachten vor, kann sich das Verwaltungsgericht durch die Verwertung des entsprechenden Gutachtens im Rahmen des Urkundenbeweises hinreichende Sachkunde verschaffen.
Aus den Gründen:
Der auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO) gestützte Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.02.2021 zuzulassen, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
Streitgegenstand des Verfahrens ist, ob der Kläger Anspruch auf die Gewährung weiterer Kassenleistungen für die Behandlung seiner Ehefrau mit manueller Lymphdrainage im Rahmen von Hausbesuchen hat. Die am 13. April 1961 geborene Ehefrau des Klägers ist bei einem Bemessungssatz an Kassenleistungen zu 30 Prozent mitversicherte Angehörige. Am 18.05.2009 verordnete der Facharzt für Allgemeinmedizin G. erstmals manuelle Lymphdrainagen mit Hausbesuchen aufgrund der Diagnose Borreliose mit Lymphstau, die seither erbracht wurden. Mit Schreiben vom 04.11.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Frage der medizinischen Notwendigkeit der fortlaufenden manuellen Lymphdrainage mit Hausbesuchen durch einen Sachverständigen überprüft werden solle. In der Folgezeit holte die Beklagte u. a. Gutachten des Internisten Dr. V. ein, die dieser am 28.08.2016 und am 03.01.2017 erstattete.
Mit Leistungsantrag vom 23.09.2019 beantragte der Kläger die Gewährung von Kassenleistungen i. H. v. 224,40 Euro betreffend die Rechnung der Physiotherapiepraxis F. vom 18.09.2019 für Behandlungstermine in der Zeit vom 23.08.2019 bis 13.09.2019. Mit Bescheid vom 07.10.2019 und Widerspruchsbescheid vom 15.01.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die dagegen erhobene Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Die Beklagte hat am 02.02.2021 die in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Az.: 13 K 7001/17) wegen Beihilfe eingeholten Gutachten/Stellungnahmen bezüglich der durchgeführten Lymphdrainagen vorgelegt.
II.
Der Kläger hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgezeigt.
Diese liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der jeweils dargelegten Gesichtspunkte (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl. 2004, 838). Es kommt dabei darauf an, ob vom Antragsteller ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt worden ist, dass der Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Misserfolg (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 und vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 - DVBl. 2000, 1458). Dazu müssen zum einen die angegriffenen Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen - zumindest im Kern - zutreffend herausgearbeitet werden (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.1997 - 8 S 1040/97 - VBlBW 1997, 299). Zum anderen sind schlüssige Bedenken gegen diese Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen aufzuzeigen, wobei sich der Darlegungsaufwand im Einzelfall nach den Umständen des jeweiligen Verfahrens richtet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.02.1998 - 7 S 216/98 - VBlBW 1998, 378 mwN), insbesondere nach Umfang und Begründungstiefe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. …
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufgezeigt. Er beruft sich zu deren Begründung auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht.
1. Mit der Begründung seines Zulassungsantrags legt der Kläger eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dar. Werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts hergeleitet, kommt eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO - die der Kläger mit derselben Argumentation erhoben hat - zu einer Zulassung führen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.06.2016 - DL 13 S 1699/15 - juris Rn. 15; Beschluss vom 17.02.2009 - 10 S 3156/08 - juris Rn. 5; SächsOVG, Beschluss vom 23.02.2016 - 3 A 286/14 - juris Rn. 12).
Die Rüge der Verletzung des verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatzes erfordert zum einen eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären ...
Nach diesen Grundsätzen wird mit dem Zulassungsvorbringen eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht aufgezeigt. Der Kläger, der bereits vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertreten war, hat im erstinstanzlichen Verfahren ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 05.02.2021 keinen Beweisantrag gestellt ...
Dem Verwaltungsgericht musste sich die Befragung der behandelnden Ärzte der Ehefrau des Klägers als sachverständige Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch nicht aufdrängen, ohne dass ein förmlicher Beweisantrag gestellt war.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist das Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht gehindert, die Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen auf den Inhalt der ihm vorliegenden Akten und damit auch auf von der Beklagten in Auftrag gegebene Parteigutachten zu stützen, sofern es diese als ausreichend erachtet, um sich von der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen zu überzeugen, und die Beteiligten keine weiteren Beweiserhebungen förmlich beantragen. Insbesondere kann es ohne Verstoß gegen die Vorschriften über die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung (§§ 96 ff., 108 VwGO) Sachverständigengutachten, die in den beigezogenen Verwaltungsakten enthalten sind oder welche die Behörde in das Verfahren eingeführt hat, im Wege des Urkundenbeweises als Urteilsgrundlage verwerten (zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.03.2019 - 2 S 2980/18 - n. v.; Beschluss vom 25.02.2013 - 2 S 2385/12 - juris Rn. 4).
Hinsichtlich eines zusätzlich einzuholenden Sachverständigengutachtens ist den Tatsachengerichten nach § 98 VwGO i. V. m. §§ 404 und 412 ZPO Ermessen eröffnet. Die unterlassene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits eine sachverständige Äußerung zu einem Beweisthema vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschluss vom 16.05.2018 - 2 B 12.18 - juris Rn. 9 mwN; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.06.2020 - 1 A 227/18 - juris Rn. 10). Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (BVerwG, Beschluss vom 16.05.2018 - 2 B 12.18 - aaO mwN).
Die Antragsbegründung zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht nach diesen Grundsätzen gehalten war, die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen zu hören und ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt sich nicht, dass die von der Beklagten eingeholten Gutachten des Internisten Dr. V. vom 28.08.2016 und vom 03.01.2017 sowie das seitens des Verwaltungsgerichts Arnsberg beauftragte Gutachten des Arztes für Orthopädie, Physikalische Therapie und Sportmedizin Dr. W. vom 14.10.2018, Mängel in oben dargestelltem Sinne aufweisen.
Mit seinem Zulassungsvortrag rügt der Kläger im Kern, auf die seitens der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. V. und das von dem Verwaltungsgericht Arnsberg beauftragte Gutachten des Dr. W. habe das Verwaltungsgericht seine Auffassung, für die fortgesetzten Behandlungen der Ehefrau des Klägers mit Lymphdrainagen im Rahmen von Hausbesuchen fehle es an der erforderlichen medizinischen Indikation, nicht stützen dürfen. Denn die Beschwerden der Lymphe und der Borreliose fielen in das Fachgebiet der Neurologie, so dass eine Kompetenzüberschreitung seitens der Gutachter vorliege. Zudem seien Stellungnahmen und Arztbriefe der behandelnden Ärzte der Ehefrau des Klägers nicht zutreffend in den Gutachten berücksichtigt worden …
a) Entscheidend für die Frage, ob die vorliegenden Gutachten des Dr. V. und des Dr. W. ausreichend waren, um die Frage der medizinischen Notwendigkeit von fortlaufender Lymphdrainage für die Ehefrau des Klägers zu beantworten, ist das Vorhandensein und die Ausprägung von Lymphödemen. Denn die manuelle Lymphdrainage wird beim Lymphödem und anderen Schwellungen eingesetzt (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage).
Die Diagnostik und Therapie von Lymphödemen obliegt u. a. Vertretern der Inneren Medizin und der Physikalischen Medizin (vgl. Leitlinienreport der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., abrufbar unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001m_S2k_Diagnostik_un…). Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sind in der Leitlinie hingegen nicht als Sachverständige für die Beurteilung von Lymphödemen genannt. Daher sind die im Verwaltungsverfahren und dem gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg beauftragten Sachverständigen, die auf den Fachgebieten der Inneren Medizin und der Physikalischen Medizin tätig sind, ausweislich ihrer Qualifikation grundsätzlich geeignet, dem Gericht die erforderlichen sachlichen Grundlagen zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit fortgesetzter Lymphdrainage mit Hausbesuchen zu vermitteln.
Die vorliegenden Gutachten entsprechen zudem den allgemeinen Anforderungen an ein sozialmedizinisches Gutachten (vgl. dazu: Allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., abrufbar unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/094-001l_S2k_Allgemeine_Gr….), wonach eine Anamneseerhebung, Aufnahme der Beschwerden, fachspezifischer Befund und allgemeiner körperlicher Befund, Diagnosestellung sowie gutachtliche Wertung der Ergebnisse sowie die Beantwortung der explizit gestellten Beweisfragen notwendige Bestandteile des Gutachtens sind. Im Rahmen der Anamneseerhebung erfolgte jeweils eine Auswertung der zum Zeitpunkt der Begutachtung übermittelten Akten, in deren Rahmen die Gutachter zudem die jeweils in den Akten vorhandenen Arztbriefe sichteten. Dass dabei die Gutachten des Dr. Wi. vom 26.09.2012, des Dr. B. vom 01.11.2011 und des Dr. M. vom 15.09.2011 nicht Teil der Akten waren und nach den Terminen der Begutachtungen angefallene Arztbriefe noch nicht vorlagen, ist dabei unschädlich. Gegenstand des jeweiligen Gutachtenauftags war die Frage nach einer medizinischen Indikation für die Behandlung der Ehefrau des Klägers mit fortlaufender Lymphdrainage ab November 2015. Ob und in welchem Umfang in den Jahren 2011 und 2012 Lymphödeme vorhanden waren und in diesem Zeitraum Lymphdrainage erforderlich war, ist dagegen für das vorliegende Verfahren nicht von Belang. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem Kläger offen gestanden hätte, dem jeweiligen Gutachter weitere medizinische Unterlagen vorzulegen.
Das Gutachten des Internisten Dr. V. vom 28.08.2016 enthält eine chronologische Darstellung der Anamnese nach Aktenlage, eine ausführliche Befunderhebung aufgrund einer eigenen Untersuchung, eine Diagnosestellung sowie eine ärztliche Beurteilung der Frage der medizinischen Notwendigkeit einer fortgesetzten Lymphdrainage. Auch das ärztliche Gutachten nach Aktenlage des Dr. V. vom 03.01.2017 folgt den Vorgaben der aktuellen Leitlinie für die Erstellung sozialmedizinischer Gutachten. Gleiches gilt für das Gutachten des Dr. W. vom 14.10.2018.
Des Weiteren werden auch die Anforderungen an die Diagnostik von Lymphödemen (S2k Leitlinie, AWMF Reg.-Nr. 058-001, abrufbar über https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/058-001l_S2k_Diagnostik_un…) gewahrt, wonach die Basisdiagnostik entsprechender Ödeme die Anamnese, Inspektion und Palpation umfasst. Dabei ist im Rahmen des Hautbefundes u. a. zu beschreiben, ob eine Kastenform der Zehen vorliegt, was ausweislich der Feststellungen des Dr. W. zu verneinen ist. Aufgrund der Durchführung einer leitliniengerechten Diagnostik haben die Sachverständigen hinsichtlich der allein gutachterlich relevanten Fragestellung der medizinischen Notwendigkeit von fortgesetzter Lymphdrainage nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft erstellte Gutachten vorgelegt.
b) Da Dr. W. mit seiner Weiterbildung im Bereich der Physikalischen Therapie selbst das Vorhandensein von Lymphödemen oder einfachen Ödemen qualifiziert beurteilen konnte, war die Einholung von Zusatzgutachten auf den Fachgebieten der Neurologie und Psychiatrie, der Inneren Medizin und der Kardiologie nicht indiziert. Gleiches gilt für Dr. V., der als Internist ebenfalls selbst qualifiziert das Vorhandensein von Ödemen beurteilen konnte. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang, dass Voraussetzung für die weitere Erstattung von Lymphdrainagen für seine Ehefrau ausschließlich das Vorhandensein von Lymphödemen ist, und es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, welche Diagnosen ursächlich für etwaig vorliegende Ödeme sind. Somit war Dr. W. entgegen der Auffassung des Klägers nicht verpflichtet, der Frage nach möglichen alternativen Ursachen für das Vorliegen von anamnestisch berichteten Lymphödemen nachzugehen.
Da beide Gutachter bei ihren ausführlichen persönlichen Untersuchungen (Dr. V. - 90 Minuten; Dr. W. - mehrstündige Untersuchung) der Ehefrau des Klägers im Rahmen der Befunderhebung im Bereich der unteren Extremitäten weder Lymphödeme feststellen konnten noch Anzeichen eines chronischen Lymphödems oder auch nur eines Ödems fanden, waren weitere Termine zur nochmaligen Überprüfung des erhobenen Befundstatus nicht indiziert. Auch musste der Frage, ob Lymphdrainage nur im Rahmen von Hausbesuchen in Betracht komme, nicht nachgegangen werden, da bereits die medizinische Notwendigkeit von fortgesetzter Lymphdrainage als entscheidungserhebliche Voraussetzung für Hausbesuche verneint worden war.
Aufgrund der erhobenen Befunde ohne ein klinisch relevantes und auffälliges sekundäres Lymphödem (wie nochmals durch ergänzende Stellungnahme des Dr. W. vom 20.12.2018 bestätigt) ist die Einschätzung der Gutachter, eine fortgesetzte Lymphdrainage sei nicht medizinisch indiziert, schlüssig und nachvollziehbar aus den erhobenen Befunden ableitbar. Das Verwaltungsgericht konnte sich mithin durch die Verwertung der genannten Gutachten im Rahmen des Urkundenbeweises hinreichende Sachkunde verschaffen, um die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer fortlaufenden Lymphdrainage ausreichend beurteilen zu können.
c) Entgegen der Darstellung des Klägers in seinem Zulassungsvorbringen hat sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit den Arztbriefen und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte sowie mit den Therapieprotokollen der Physiotherapeutin F. auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen sich aus diesen ärztlichen und therapeutischen Unterlagen keine von den Ergebnissen der beigezogenen Gutachten abweichende Einschätzung der streitgegenständlichen Frage der medizinischen Indikation einer fortgesetzten Lymphdrainage ergibt. In diesem Zusammenhang verkennt der Kläger, dass - wie das Verwaltungsgericht aufgezeigt hat - Dr. Fi. mit Bericht vom 05.08.2020 und Dr. K. mit Arztbrief vom 16.12.2020 zwar von geringen bzw. minimalen Ödemen berichteten, es jedoch unterließen, trotz dieser Befunde ihre Diagnose eines Lymphödems zu begründen. Die Berichte der Dr. L. enthalten ebenfalls - worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat - keine auf Lymphödeme hinweisende Befunde.
Bezüglich der Stellungnahmen der Dr. Ki. hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass sich zu der Frage einer persönlichen Untersuchung der Ehefrau des Klägers keinerlei Ausführungen finden, so dass ihre Diagnosestellung nicht anhand selbst erhobener Befunde nachvollziehbar ist. Zudem weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass Dr. Ki. ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg vom 15.07.2019 in diesem Termin anwesend war. Der in diesem Termin ebenfalls anwesende gerichtliche Sachverständige Dr. W. hat sämtliche Fragen von Dr. Ki. beantwortet und erläutert, aus welchen Gründen er an seiner gutachterlichen Einschätzung festhält.
Schließlich sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, einem Physiotherapeuten fehle es grundsätzlich an der Kompetenz zu der ärztlichen Beurteilung, ob Lymphödeme vorlägen, nicht zu beanstanden, sodass die behandelnde Physiotherapeutin nicht als sachverständige Zeugin zu hören war. Gemäß § 14 Abs. 1 Ziff. 3 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) ist im praktischen Teil der Prüfung an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Chirurgie oder Orthopädie sowie an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie oder Pädiatrie je eine Befunderhebung durchzuführen, zu bewerten, zu dokumentieren und der Therapieplan mit Behandlungsziel und Behandlungsschwerpunkt zu erstellen. Auf dieser Grundlage sind geeignete Behandlungstechniken durchzuführen. Dementsprechend verfügt ein Physiotherapeut zwar über Kenntnisse und Fähigkeiten in der Befunderhebung. Die Diagnosestellung erfordert aber weitergehend die Zuordnung von Befunden - diagnostischen Zeichen oder Symptomen - zu einem Krankheitsbegriff oder einer Symptomatik (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.11.2013 - 13 A 1463/12 - juris Rn. 7). Zudem hat der Gutachter Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 20.12.2018 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass den Therapieprotokollen der Physiotherapeutin F. Angaben über die Referenzpunkte der Messergebnisse fehlten und eine Umfangsmessung anhand der Neutral-Null-Methode nicht erfolgt sei. Hiermit setzt sich der Kläger in der Antragsschrift nicht auseinander.
d) Soweit der Kläger der Auffassung ist, aus der Erstattung der Aufwendungen für manuelle Lymphdrainage bis zum Jahr 2015 ergebe sich ein Anerkenntnis der Beklagten auch für die Folgezeit, kann dem nicht gefolgt werden. …
Die Kostenentscheidung …
Redaktionell überarbeitete Fassung
eingereicht von P. Becker, Kassel