Gemäß ständiger Rechtsprechung des für das Versicherungsvertragsrecht zuständigen IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine Heilbehandlungsmaßnahme dann medizinisch notwendig, wenn es im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Diese Definition sei für juristische Zwecke jedoch „wenig gelungen“, kritisiert Christoph Jansen, Akademischer Rat und Habilitand am Institut für Medizinrecht der Universität zu Köln, in der Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ vom 1.6.2022.
Nach ausführlichen juristischen Erörterungen kommt er zu folgender neuer, präziserer Definition der medizinisch notwendigen Heilbehandlung:
„Aufbauend auf dem Begriffsverständnis des BGH ist eine Heilbehandlungsmaßnahme [...] medizinisch notwendig, wenn ihre Anwendung im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung nach objektiven medizinischen Befunden, wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischer Erfahrung vertretbar war. Sie ist vertretbar, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, unter Abwägung ihrer Chancen und Risiken, geeignet ist, den Heilerfolg zu erreichen. Stehen mehrere in diesem Sinne gleichwertige Methoden zur Verfügung, sind alle notwendig. Führt eine Maßnahme mit eindeutig geringerer Wahrscheinlichkeit zum Heilerfolg oder ist sie mit deutlich höheren Risiken verbunden, ist ihre Anwendung unvertretbar.“
Jansen, Ch. (2022). Die Bestimmung des Leistungsumfangs der privaten Krankenversicherung: zum Begriff der „medizinischen Notwendigkeit“ von Heilbehandlungen. Versicherungsrecht, 11, 671-681.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden