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Aspekte der Arzthaftpflicht bei Komplikationen nach einer Operation

Prinzipiell besteht bei jedem chirurgische Eingriff die Gefahr von Komplikationen, erklärte Werner Hosemann vom Helios Hanseklinikum Stralsund auf dem 17. HNO-Update-Seminar am 1. und 2. Dezember 2023 in Mainz. Zahlenmäßig treten diese bei Ungeübten häufiger auf – gerade die schweren Komplikationen werden jedoch nicht selten von relativ erfahrenen Operateuren verursacht, wie aktuelle Studien zeigen.

Auch wenn das Auftreten solcher Komplikationen nicht unmittelbar gleichzusetzen ist mit einer Verletzung ärztlicher Standards, so kann sich aus derartigen Vorfällen doch häufig der Vorwurf eines Behandlungsfehlers mit entsprechenden Schadenersatz- und Schmerzensgeldbegehren ergeben.

Der hierbei in Rede stehende gebotene Facharztstandard ist keine feste Größe. Maßstab ist die „Art und Weise der Behandlung, die – angepasst an die individuellen Anforderungen des einzelnen Behandlungsfalls – nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und ärztlicher Erfahrung zum Zeitpunkt der Behandlung angezeigt ist“ (Zitat aus dem ‚Leitfaden für ärztliche Gutachter‘ der Ärztekammer Westfalen-Lippe).

Grundsätzlich muss jeder Patient, der einen Anspruch wegen eines Behandlungsfehlers geltend machen will, darlegen, dass ein entsprechender ärztlicher Fehler aufgetreten ist, der zu einem Schaden führte, und dass dieser Fehler ursächlich für den eingetretenen Schaden war („haftungsbegründende Kausalität“).

In entsprechenden gutachtlichen Feststellungen muss im Blick auf Konsequenzen für den verantwortlichen Arzt speziell auf den Begriff des „groben Behandlungsfehlers“ hingewiesen werden (Definition: „eindeutiger Verstoß gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse oder bewährte ärztliche Behandlungsregeln, wobei der Fehler aus objektiver Sicht ‚völlig unverständlich und unverantwortlich‘ erscheint“).

Wurde ein solcher grober Behandlungsfehler festgestellt, kommt es zu einer Beweislastumkehr, d. h. der Arzt muss jetzt die Kausalität zwischen Fehler und Schaden widerlegen. In einigen Fällen kommt es nach gerichtlicher Feststellung eines derartigen „Kunstfehlers“ sekundär zu relevanten Problemen mit dem Haftpflichtversicherer des Arztes.

Diese Gegebenheiten stellen einen der Gründe dar, warum der verantwortliche Arzt bei mediko-legalen Auseinandersetzungen häufig als „Second Victim“ eines Behandlungsfehlers angesehen werden kann, so Hosemann.

Musste bei einem operativen Eingriff ärztlicherseits eine Komplikation registriert werden, so ist dringend anzuraten, neben der unmittelbar angezeigten, speziellen Therapie im weiteren Sinn auf eine sehr sorgfältige Dokumentation aller erfolgten und ggf. interdisziplinär abgesprochenen Maßnahmen und auf eine optimale Kommunikation in alle Richtungen zu achten, betonte er weiter. Es sei sinnvoll, vorsorglich die entsprechenden Behandlungsunterlagen zu sichten und in ihrer Vollständigkeit zu sichern. Drohe ein Behandlungsfehlervorwurf, empfehle sich eine vorsorgliche Rücksprache mit der Haftpflichtversicherung.

Kritische Anmerkung aus gutachtlicher Sicht

Kritisch zu sehen ist allerdings die Behauptung Hosemanns, es handele sich dann um einen groben Behandlungsfehler, wenn der Fehler „dem Gutachter aus objektiver Sicht völlig unverständlich und unverantwortlich“ erscheine und „ein solcher Behandlungsfehler gutachterlich attestiert“ werde.

Zur Frage, ob ein Behandlungsfehler als grob zu bewerten ist, hat jedoch der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 26.6.2018 (AZ: VI ZR 285/17, Düsseldorf), über das die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtete (Heft 19/2028; S. 1192-1195), Stellung genommen:

Im zu beurteilenden Fall hatte das (vorher zuständige) Berufungsgericht, den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen folgend, zugrunde gelegt, dass ein grober Behandlungsfehler ausscheide, wenn ein solcher Fehler unter den gegebenen Umständen im alltäglichen Ablauf (der Arztpraxis) passieren könne. Dass Fehler im ärztlichen Praxisalltag vorkommen (können), sagt jedoch nichts darüber aus, ob sie objektiv nicht mehr verständlich sind, rügte der BGH. Bei der Einstufung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob handelt es sich grundsätzlich um eine juristische Wertung, die dem Tatrichter und nicht dem Sachverständigen obliegt. Jedoch muss diese wertende Entscheidung des Tatrichters in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden.

Daher sollte der medizinische Gutachter im Arzthaftungsprozess eine Wertung, ob ein Behandlungsfehler als „grob“ anzusehen ist, grundsätzlich vermeiden.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden