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Aufklärungspflicht beim Abweichen vom schulmedizinischen Behandlungsstandard (hier: „Ausleitungstherapie“ angeblicher Schwermetallbelastung)

Der beklagte Arzt, der eine „Praxis für Ganzheitsmedizin & Prävention“ betrieb, hatte bei dem Kläger nach Durchführung eines sogenannten Provokationstests eine angebliche Schwermetallbelastung diagnostiziert, die er mit einer „Ausleitungstherapie“ behandeln wollte. Wegen zunehmender Krankheitssymptome nach der verabreichten Infusion stellte sich der Kläger notfallmäßig im Krankenhaus vor. Diagnostiziert wurde eine schwere Thrombozytopenie mit mittelgradiger Leberschädigung. Ein toxikologisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden durch die Gabe einer unzulässig weit überhöhten Menge von Alpha-Liponsäure im Zuge der Behandlung verursacht worden war.

 

Der beklagte Arzt hatte den Kläger jedoch nicht ordnungsgemäß über die durchgeführte Ausleitungstherapie aufgeklärt, erklärte das OLG:

Die Grundaufklärung ist nur dann erteilt, wenn dem Patienten ein zutreffender Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen vermittelt wird, die für seine körperliche Integrität und Lebensführung auf ihn zukommen können. Dazu gehört in aller Regel auch ein Hinweis auf das schwerste in Betracht kommende Risiko, das dem Eingriff spezifisch anhaftet.

Dabei gilt: Von der Pflicht zur Aufklärung sind auch Behandelnde nicht befreit, die sich alternativmedizinischer Verfahren bedienen. Bei der Ausleitungstherapie wie auch bei dem zugrundeliegenden „Provokationstest“ handelt es sich unstreitig um alternativmedizinische Verfahren die in der Schulmedizin nicht anerkannt und kritisch beurteilt werden. Damit handelt es sich hierbei um Außenseitermethoden. Unter einer solchen lässt sich ein Abweichen von den allgemeinen und weitaus überwiegend anerkannten Regeln der Schulmedizin verstehen.

Vor diesem Hintergrund stellt die Rechtsprechung besonders strenge Anforderungen an die Aufklärung. Zu fordern ist zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dessen Aufklärung über das Für und Wider dieser Methode. Dem Patienten müssen nicht nur die Risiken und die Gefahr eines Misserfolges des Eingriffs erläutert werden, sondern er ist darüber aufzuklären, dass der geplante Eingriff nicht medizinischer Standard ist und seine Wirksamkeit statistisch nicht abgesichert ist.

Der Behandler muss darüber aufklären, inwieweit vom schulmedizinischen Standard abgewichen wird, warum dies getan wird und welche Vor- und Nachteile hieraus erwachsen. Der Behandelnde muss unter anderem darauf hinweisen, dass der empfohlenen Therapie ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis fehlt.

All dies hätte erfolgen müssen, um dem Kläger ein zutreffendes Bild über die Stoßrichtung und Tragweite der Behandlung mittels Provokationstest und Ausleitungstherapie zu vermitteln. Dies hatte der beklagte Arzt aber bereits nach eigenen Angaben unterlassen:

·       So fehlte der wesentliche Hinweis darauf, dass nicht nur der „Ausleitungstherapie“, sondern bereits auch dem Provokationstest also gewissermaßen der Befunderhebung, ob eine Schwermetallbelastung vorliegt oder nicht, jegliche wissenschaftliche Evidenz fehlt, mit anderen Worten bereits die Diagnose einer chronischen Schwermetallbelastung tatsächlich nicht erfolgen kann.

·       Des Weiteren fehlte der ebenfalls wesentliche Hinweis, dass durch die Ausleitungstherapie als solche die Schwermetalle eben nicht in schlicht gebundener Form also gefahrlos für den Körper über die Niere ausgeschieden werden, sondern dass die verwendete Alphaliponsäure gerade dazu dient, etwaige Schwermetallverbindungen aufzulösen, so dass die Gefahr einer Diffundierung in auch bislang nicht betroffene Organe und Körperregionen besteht.

Zudem hatte ein vom OLG beauftragter weiterer Sachverständige ausführt, dass mit modernen Methoden auch bereits geringste Schwermetallmengen im Körper mittels einer simplen Blutprobe detektiert werden können und es zum Nachweis auch nur minimalster Schwermetallbelastungen einer Mobilisierung dieser Elemente überhaupt nicht bedürfe.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden