„Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel spielen aufgrund ihres besonderen Wirkprinzips bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder in der Krebstherapie eine immer wichtigere Rolle – vor allem medizinisch, aber auch hinsichtlich der Kostenanteile bei den Arzneimittelausgaben. Unter den zehn Arzneimitteln mit den höchsten Umsätzen pro Patientin oder Patient sind sechs Biologika. Derzeit gibt es in Deutschland knapp 300 zugelassene Biologika. Für 16 Biologika, deren Patent- und Unterlagenschutz abgelaufen ist, stehen mittlerweile aber Nachahmerpräparate, sogenannte Biosimilars, zur Verfügung. Biosimilars werden in der Regel mit einem niedrigeren Preis im Vergleich zum Referenzarzneimittel in den Markt gebracht. Der Preis der aktuell am Markt befindlichen Biosimilars ist um bis zu 37 Prozent niedriger als der des jeweiligen Referenzarzneimittels. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von preisgünstigeren Nachahmerpräparaten hat der Gesetzgeber den G-BA beauftragt, Hinweise zu deren wirtschaftlicher Verordnungsweise zu geben, um damit verbundene Einsparmöglichkeiten für die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung besser nutzbar zu machen. Die vom G-BA beschlossenen Hinweise an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sind eine Richtschnur für die wirtschaftliche Verordnungsweise bei der Therapie mit dieser besonderen Gruppe von Arzneimitteln – selbstverständlich immer unter der Voraussetzung, dass die Verordnung eines Biosimilars patientenindividuell und medizinisch vertretbar ist“, erläuterte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel.
Ärztliche Ein- und Umstellung der Arzneimitteltherapie
Im Sinne einer wirtschaftlichen Verordnungsweise sollen Ärztinnen und Ärzte zu Beginn einer Therapie mit biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Produkt auswählen. In der Regel ist das, sofern vorhanden, ein Biosimilar.
Werden Patientinnen und Patienten bereits mit einem bestimmten Biologikum behandelt, sollen Ärztinnen und Ärzte prüfen, ob sie auf ein preisgünstigeres Biosimilar umgestellt werden können. Voraussetzung für die Umstellung bei einer bereits laufenden Arzneimitteltherapie ist insbesondere, dass keine patientenindividuellen medizinischen Gründe gegen den Wechsel auf ein anderes Präparat sprechen. Dies können beispielsweise Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten oder auch eine instabile Therapiesituation sein.
Sowohl bei der Erstverordnung als auch bei der Umstellung gilt: Sofern die Krankenkasse der Versicherten oder des Versicherten für ein Arzneimittel einen Rabattvertrag abgeschlossen hat, ist auf diesem Wege die Wirtschaftlichkeit der Verordnung sichergestellt. Ein weiterer Kostenvergleich durch die Ärztin oder den Arzt ist nicht notwendig.
Therapeutische Vergleichbarkeit von Biologika und Biosimilars
Für alle Biosimilars, die mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel die Zulassung erhalten haben, ist grundsätzlich eine therapeutische Vergleichbarkeit gegeben.
Der G-BA wird im Nachgang zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie in einer neuen Anlage Informationen zum Zulassungsstatus von Biologika als Referenzarzneimittel und ihren Biosimilars zur Verfügung stellen, die fortlaufend aktualisiert werden. Die allgemeinen Hinweise für eine wirtschaftliche Verordnungsweise gelten dabei unabhängig vom Zeitpunkt der Listung eines Biosimilars in der Übersicht, d. h., dass dieses mit Markteintritt von den Ärztinnen und Ärztinnen verordnet werden kann.
Inkrafttreten
Der Beschluss zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie wird dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Hintergrund: Austauschbarkeit von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimittel
Ein biologisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel mit Wirkstoffen biologischen Ursprungs – gewonnen beispielsweise aus lebenden Zellen oder gentechnisch veränderten Organismen. Die meisten biologischen Arzneimittel werden heute mit Mitteln der Biotechnologie hergestellt. Zu den biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln gehören – neben Hormonen wie Insulin – auch Antikörper oder Blutprodukte wie z. B. Gerinnungsfaktoren.
Mit Ablauf der Schutzrechte für ein biotechnologisch hergestelltes biologisches Arzneimittel können zu diesem Referenzarzneimittel (Biologikum) Nachahmerpräparate (Biosimilars) anderer pharmazeutischer Unternehmer zugelassen werden, die meist zu einem günstigeren Preis vermarktet werden. Biosimilars sind herstellungsbedingt z. B. wegen unterschiedlicher Wirtsorganismen zwar keine absolut identische Kopie, aber ein im Wesentlichen gleiches Arzneimittel. Anders als bei generischen Arzneimitteln mit chemischen Wirkstoffen werden bei der Zulassung von Biosimilars in der Regel zusätzliche klinische Untersuchungen gefordert, um sicherzustellen, dass die vorhandenen Abweichungen die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht beeinflussen.
Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wurde der G-BA im Jahr 2019 beauftragt, in seinen Richtlinien Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln (Biologika) durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel zu geben und dabei die therapeutische Vergleichbarkeit zu berücksichtigen. Bis zum 16. August 2020 soll er zunächst Hinweise für die ärztliche Verordnung geben. Spätestens bis zum 16. August 2022 sind vom G-BA die Austauschregelungen auf Apothekenebene festzulegen.
Pressemitteilung Gemeinsamer Bundesausschuss G-BA, Berlin