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Chronische Rückenschmerzen multiprofessionell behandeln

Multiprofessionelle Therapieansätze sind derzeit State-of-the-Art in der Behandlung chronischer Rückenschmerzen, erklären Manigold et al. (Schweiz) in einer aktuellen Übersichtsarbeit. Sie zeigen sich als wirksamer – allerdings auch als kostenintensiver – als Monotherapien.

Rückenschmerzen gelten weltweit als führende Ursache für Produktivitätsverlust und mit Behinderung gelebte Jahre. Sie verursachen enorme direkte und indirekte Kosten: Diese belaufen sich zu einem Drittel auf die Behandlung und zu zwei Dritteln auf Produktionsausfälle bzw. -minderung.

Chronische Rückenschmerzen werden in ca. 90 % der Fälle als unspezifisch dargestellt, d. h. sie können nicht durch die spezifische Läsion einer Körperstruktur erklärt werden. Sie stellen keinen homogenen Symptomkomplex dar, sondern beinhalten heterogene biopsychosoziale Beeinträchtigungen und Schmerzverhaltensmuster.

Am häufigsten entwickeln sich Rückenschmerzen in Verbindung mit degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Dabei ist die Ätiologie aber meist multifaktoriell, und das Ausmaß der Schmerzen korreliert nur selten mit dem Ausmaß der Degeneration. Chronische Rückenschmerzen sind Ausdruck komplexer biopsychosozialer Vorgänge, die neben degenerativen Veränderungen auch mit psychosozialen Faktoren (z. B. belastende berufliche Situation), hohem Leidensdruck und schmerzbedingten Beeinträchtigungen im Alltag (z. B. Arbeit, Aktivitäten des täglichen Lebens) einhergehen und unterschiedliche Verlaufsmuster zeigen.

Daher empfehlen Leitlinien nicht nur die Evaluation psychosozialer Risikofaktoren, sondern auch einen multiprofessionellen Behandlungsansatz. Die Behandlung der Rückenschmerzen sollte auf mehreren Säulen stehen. Dabei sollen die verschiedenen Disziplinen – unter Beachtung des biopsychosozialen Schmerzmodells – den Patienten simultan stützen, vereint von einem zentralen Koordinator. Multiprofessionelle Therapieansätze fokussieren nicht nur auf Einschränkungen in den Körperfunktionen, sondern auch auf Beeinträchtigungen in den Bereichen Aktivität und Partizipation:

  • Ziele der (ärztlich verordneten) Pharmakotherapie sind Verabreichung
    von und Einstellung auf Analgetika; allerdings nicht als Dauertherapie. Sie können temporär einen wichtigen Beitrag leisten, den Teufelskreis Schmerz → Verkrampfung → Schmerz aufzu­lösen und dadurch den Patienten für die aktiven Therapien vorzubereiten.
  • In ähnlicher Weise kann auch die interventionelle Schmerztherapie eingesetzt werden. Diese wirbelsäulennahen Interventionen sollten nur durch entsprechend qualifizierte Ärzte unter Bildgebung mittels Röntgen, CT oder Sonographie erfolgen. Dabei kann – bei eindeutiger Diagnostik – ggf. durch Thermoablation der Facettennerven ein langanhaltender Effekt erreicht werden. Bei muskulären Schmerzen können auch weniger invasive wiederholte Triggerpunkt-Infiltrationen oder „Dry Needling“ eine gute Schmerzreduktion erreichen.
  • Ziele der Physiotherapie im multiprofessionalen Setting sind v. a. die Stärkung der paravertebralen Rumpfmuskulatur und der ventralen Bauchmuskulatur, die Rückenschule und das Erlernen von Heimübungen.
  • Ziel der Ergotherapie ist die Ermöglichung der Ausführung von Alltagsaktivitäten mit dem Schmerz, wobei auch arbeitsplatzbezogene Abklärungen und Interventionen erfolgen sollen.
  • Chronischer Schmerz stellt immer auch ein emotionales Erleben dar. Ziele der Psychotherapie sind daher die Förderung der Akzeptanz von erlebten Einschränkungen durch Schmerz, die Verringerung von Stress, Depressivität und Ängsten und die Steigerung der Lebensqualität.
  • Die Aufgaben der Pflege im multiprofessionalen Behandlungsteam bei stationären wie zunehmend auch ambulanten Patienten sind u. a. Patienten­edukation, Förderung des Schlafs und Medikamentenmanagement.
  • In der integrativen Medizin werden alle evidenzbasierten therapeutischen Ansätze aus der Komplementärmedizin berücksichtigt und in einem ganzheitlichen Ansatz mit schulmedizinischen Methoden integriert. Hierzu gehören u. a. Akupunktur, Hypnose, Achtsamkeit, verschiedene Entspannungstechniken und Unterstützung für eine gesunde Lebensführung aus der Mind-Body-Medizin.
  • Ziel der klinischen Sozialarbeit ist die Förderung der sozialen beruflichen, familiären und gesellschaftlichen Teilhabe, so durch Abklärung und Beantwortung sozialrechtlicher / versicherungsrechtlicher Fragen und durch Einleiten von beruflichen Maßnahmen.
  • Schließlich ist es Aufgabe des multiprofessionellen Teams, die Ressourcen des Patienten zu erkennen und möglichst in den Therapieansatz einzubinden.

    Manigold, T., Gantschnig, B. E., Streitberger, K. (2023). Multiprofessioneller Behandlungsansatz bei chronischen Rückenschmerzen. Z Rheumatol, 1, 31–36

    G.-M. Ostendorf, Wiesbaden

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