Bemerkenswerterweise sterben Menschen mit einer hypochondrischen Störung tatsächlich früher als die Durchschnittsbevölkerung, berichtete Ulrich Voderholzer von der Schön Klinik Roseneck, Fachklinik für psychische Erkrankungen, auf dem 14. Psychiatrie-Update-Seminar am 8. und 9. März 2024 in Mainz.
Die hypochondrische Störung ist im ICD-11 bei den mit Zwang verwandten Störungen klassifiziert. Das Zwanghafte zeigt sich u. a. an sich permanent aufdrängenden zwanghaften Gedanken, erkranken zu können, und sehr häufig ausgeprägten Kontroll- und Rückversicherungshandlungen, mit denen – wie bei typischen anderen Zwängen – Angst und Anspannung reduziert werden soll. Andere Bezeichnungen für die hypochondrische Störung im DSM-5 sind „health anxiety disorder“, auf Deutsch „Gesundheitsangststörung“.
Es ist davon auszugehen, dass das Kontroll- und Rückversicherungsverhalten der Patienten mit einer hypochondrischen Störung, auch durch medizinische Untersuchungen oder Arzttermine, hohe und unnötige Kosten für das Gesundheitswesen verursacht. Bisher war jedoch nicht bekannt, wie das Mortalitätsrisiko bei hypochondrischen Patienten ist. Aufgrund der häufigen ärztlichen Untersuchungen wurde hierfür meist ein eher geringes Risiko angenommen.
Das Gegenteil zeigt jetzt aber eine sehr große Kohortenstudie bei Patienten mit hypochondrischer Störung, in welcher die Mortalität ermittelt wurde. In einer nationalen schwedischen Registerstudie wurden 4.129 Personen mit einer (nach ICD-10 validierten) Diagnose einer hypochondrischen Störung zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 31. Dezember 2020 erfasst und mit 41.290 bezüglich demographischer Faktoren vergleichbaren Personen ohne hypochondrische Störung gematcht. Betroffene mit einer körperdysmorphen Störung wurden ausgeschlossen. Der Median des Alters bei Einschluss in die Studie lag in beiden Gruppen bei jeweils 34,5 Jahren.
Patienten mit einer hypochondrischen Störung hatten eine deutlich höhere Mortalitätsrate von 8,5 pro 1.000 Personen/Jahre im Vergleich zu nur 5,5 pro 1.000 Personen/Jahre in der Kontrollgruppe. Die erhöhte Mortalität betraf sowohl natürliche als auch nicht-natürliche Todesursachen. Bei den nicht-natürlichen Todesfällen handelte es sich vor allem um Suizide (Hazard Ratio 4,14). Die Ergebnisse waren allgemein robust, auch nach Berücksichtigung anderer Lebenszeit-komorbider psychiatrischer Erkrankungen.
Dies ist die erste Untersuchung, die sich mit der Mortalität bei Patienten mit hypochondrischer Störung befasst, kommentierte Voderholzer. Man könnte also sagen, dass in gewisser Weise deren Befürchtungen teilweise zutreffen.
Allerdings sei das Ergebnis gar nicht überraschend, da die hypochondrische Störung eine schwere Störung sei (wie andere psychische Störungen auch) und allgemein Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen aus verschiedenen Gründen früher sterben als die Durchschnittsbevölkerung. Verschiedene Faktoren, wie z. B. weniger körperliche Aktivität, mehr Stress, insbesondere aber auch Suizide, spielen für die häufigen körperlichen Erkrankungen bzw. die höhere Letalität eine Rolle. Im Grunde könne man die Studie auch als Hinweis darauf werten, dass hypochondrische Störungen schwere Erkrankungen seien, vergleichbar wie schwere Zwangsstörungen.
Mataix-Cols, D., Isomura, K., Sidorchuk, A. et al. (2023). All-cause and cause-specific mortality among individuals with hypochondriasis. JAMA psychiatry, e234744.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden