Die evidenzbasierte Hyperthermie, die bei definierten onkologischen Indikationen in Kombination mit einer Strahlen- bzw. Chemotherapie durchgeführt wird, muss eindeutig von alternativ- und komplementärmedizinischen Angeboten abgegrenzt werden, betonte Franziska Eckert von der Klinik für Radioonkologie am Universitätsklinikum Tübingen auf dem 5. Radioonkologie-Update-Seminar am 19. und 20. November 2021 in Berlin.
Unter dem Begriff „Hyperthermie“ werden verschiedene Techniken und Therapieansätze zusammengefasst, die in der radioonkologischen Therapie einen unterschiedlich großen Stellenwert besitzen. Gemeinsam ist den Ansätzen die Kombination einer Erwärmung des Tumorgewebes oder der Tumorregion mit Chemotherapie und/oder Strahlentherapie sowie ggf. weiteren Tumortherapien wie immuntherapeutischen Ansätzen. Insgesamt gibt es für einige Tumorentitäten Evidenz für eine Kombination, v. a. der lokoregionalen Hyperthermie mit radioonkologischen Therapien. Das Verfahren hat sich jedoch noch nicht in der Breite etabliert.
Die Rationale für die Kombination von lokoregionaler Hyperthermie mit Strahlen- und Chemotherapie beruht auf tumorbiologischen Mechanismen auf verschiedenen Ebenen:
Die „Standard“-Hyperthermie, die an mehreren Standorten im deutschsprachigen Raum angeboten wird, ist die Radiofrequenz-basierte Hyperthermie. Diese Methode ist in der Onkologie und der Radioonkologie seit mehreren Jahrzehnten gut etabliert; Toxizitätsprofile und Kombinations-Konzepte sind gut charakterisiert. Die Temperaturmessung erfolgt über Messonden auf der Haut, intrakavitär oder intratumoral.
Mit MR-gestützter Hyperthermie ist eine Abschätzung der Gewebetemperatur über die Behandlungszeit nicht-invasiv möglich. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass die MR-Thermometrie viel Erfahrung benötigt und durch Bewegungsartefakte (Atmung, Darmbewegung, Blasenfüllung etc.) deutlich eingeschränkt ist, so Eckert.
Hyperthermie mit Oberflächen- Applikatoren eignen sich für alle oberflächlich gelegenen Tumormanifestationen. Regionale und Teilkörper-Hyperthermie sind an Extremitäten und im Abdomen-/Beckenbereich gut zu realisieren. Für den HNO-Bereich werden allerdings spezielle technische Voraussetzungen benötigt: Im Thorax und Kopf-Bereich ist diese Art der Hyperthermie nicht geeignet, da sie zu Einschränkungen der Atmung führen würde.
Anmerkungen aus gutachtlicher Sicht
Wie von der Referentin betont, müssen diese Varianten der weitgehend evidenzbasierten Hyperthermie streng von ebenfalls als „Hyperthermie“ bezeichneten alternativ- und komplementärmedizinischen Verfahren abgegrenzt werden, welche nicht selten dem Gesellschaftsarzt in der privaten Krankenversicherung (PKV) bzw. dem medizinischen Gutachter zur Beurteilung vorgelegt werden.
Es handelt sich dabei fast durchweg um die Elektrohyperthermie (mittels elektrische Felder, die angeblich eine selektive Erwärmung in den Tumorzellen bzw. im Tumorgewebe erreichen) und/oder die Ganzkörperhyperthermie (über Infrarotstrahlung oder auch im Wasserbett). Typischerweise erfolgt bei diesen Methoden weder eine Kombination mit Strahlen- oder Chemotherapie noch werden entsprechende Temperaturen im Tumor erreicht bzw. diese überhaupt gemessen.
Hinzuweisen ist hier auf die aktuelle S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ (AWMF-Registriernummer: 032/055OL; Leitlinienkoordination Jutta Hübner), in welcher zusammenfassend festgestellt wird, dass Elektro- und Ganzkörperhyperthermie nicht außerhalb von Studien zur Senkung der Mortalität oder der krankheitsassoziierten oder therapieassoziierter Morbidität durchgeführt werden sollten (vgl. MedSach Heft 6/2021, S. 256-258).
Aus gebührenrechtlicher Sicht ist zudem anzumerken, dass der Verordnungsgeber bei der Berechnung einer Hyperthermie nach den GOÄ-Nummern 5852, 5853 und 5854 für die Oberflächen-, Halbtiefen- bzw. Tiefen-Hyperthermie die Einschränkung formuliert hat, dass diese Positionen „nur in Verbindung mit einer Strahlenbehandlung oder einer regionären intravenösen oder intraarteriellen Chemotherapie berechnungsfähig“ sind. Das ist aber bei der Elektro- bzw. der Ganzkörperhyperthermie nicht der Fall, so dass diese Verfahren nicht nach den GOÄ-Nummern 5852, 5853 und 5854 berechnungsfähig sind – auch nicht im Rahmen einer analogen Berechnung.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden