Wegen der teilweise irreversiblen Konsequenzen sollte die Therapie nur nach sorgfältiger individueller Abwägung im Konsens mit dem behandelnden Psychiater/Psychotherapeuten und nach ausführlicher Aufklärung durch einen erfahrenen Endokrinologen eingeleitet werden. Vor Therapiebeginn muss ein umfangreiches Screening auf Risikofaktoren erfolgen.
Zu den Kontraindikationen zählen (vor allem unbehandelt) schwere thromboembolische Vorerkrankungen, hormonsensible Tumoren und unkontrollierte chronische Vorerkrankungen, wie etwa arterielle Hypertonie oder Epilepsie. Individuelle Lösungen zu finden steht aber auch bei Vorliegen von Kontraindikationen im Vordergrund, da die geschlechtsangleichende Therapie nicht selten als identitätsstiftend empfunden wird, erklärte Bojunga.
Die Behandlung bei Mann-zu-Frau erfolgt grundsätzlich mit 17ß-Estradiol oder 17ß-Estradiolvalerat – meist transdermal – in Kombination mit Cyproteronacetat oder Spironolacton als Antiandrogen, bei Frau-zu-Mann mit transdermalen oder intramuskulären Testosteron-Präparaten. Ethinylestradiol, wie es sich u. a. in der Mikropille findet, ist aufgrund des erhöhten Thrombembolie-Risikos obsolet.
Klinische und laborchemische Verlaufskontrollen der Therapie sind ebenso wie gynäkologische oder urologische Früherkennungsuntersuchungen dauerhaft notwendig.
Geschlechtsangleichende Operationen führen – ebenso wie eine geschlechtsangleichende Hormontherapie – zu einer Verbesserung der Lebensqualität; vor der Durchführung sind allerdings zwei entsprechende Gutachten notwendig.
Während die Mastektomie bei Transmännern ab dem 16. Lebensjahr durchgeführt werden kann, sind geschlechtsangleichende Operationen ansonsten ab dem 18. Lebensjahr möglich. Zuvor sollte eine geschlechtsangleichende Hormontherapie erfolgen: Insbesondere führt eine Testosteron-Therapie bei Transmännern zu einem Klitoris-Wachstum, die den operativen Erfolg verbessern kann, ebenso wie eine Estradiol-Therapie bei Transfrauen vor einer Mamma-Augmentation.
Immer wieder diskutiert wird die Frage einer Pausierung der geschlechtsangleichende Hormontherapie vor geschlechtsangleichende Operationen. Studien zeigen, dass dies nicht notwendig ist: Eine perioperative Weiterführung einer Estradiol-Therapie führt nicht zu einer erhöhten Thrombembolie-Rate und die Weiterführung einer Testosteron-Therapie führt nicht zu Wundheilungsstörungen oder vermehrten Blutungskomplikationen, so Bojunga.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden