Obwohl die ärztliche Anwendung komplementärmedizinischer Methoden eine lange Tradition in Deutschland hat, existiert eine allgemein gültige Definition des Begriffes Komplementärmedizin nicht, erklären Dominik Irnich von der Interdisziplinären Schmerzambulanz am Klinikum der Universität München Innenstadt und Mitarbeiter in der „Zeitschrift für Komplementärmedizin“ – zmk (bei welcher Irnich Schriftleiter ist).
Die Zuordnung eines Therapieverfahrens zur Komplementärmedizin unterliegt vielfältigen Einflüssen und beruht vor allem auf soziokulturellen, berufspolitischen, gesundheitspolitischen, regionalen, juristischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren. Während die meisten Definitionen Begrifflichkeiten wie „Anregung zur Selbstheilung“, „Ganzheitsmedizin“ oder „Systemmedizin“ verwenden, finden sich häufig auch Negativdefinitionen wie „nicht allgemein anerkannt“, „außerhalb der Schulmedizin“ oder „unkonventionell“.
Bei einer Anzahl dieser Verfahren ist die Wirksamkeit nach den aktuellen wissenschaftlichen Kriterien mit Evidenzleveln von I bis III belegt, so Irnich. (Das verwundert allerdings nicht, wenn – wie hier – Methoden wie Bewegungstherapie, medizinische Massage oder Inhalationstherapie dazugerechnet werden.)
Allerdings finden sich im breiten Spektrum der Komplementärmedizin auch ausgesprochen fragwürdige Methoden, welche
räumt Irnich ein.
Kommentar aus gutachtlicher Sicht
Bei der Begutachtung der sehr heterogenen komplementär- bzw. alternativmedizinischen Methoden ist ein differenziertes Vorgehen, möglichst nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM), angezeigt. Das ist allerdings oft schwierig, zumal sich über viele dieser Verfahren kaum Informationen in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachpresse oder in AWMF-Leitlinien finden.
(Irnich D, Bäumler P, Hanley K: Stand der Komplementärmedizin in Deutschland. zmk 11 (2019), 6: 14–25)
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden