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Lebensbedrohende akute Herzerkrankungen richtig diagnostizieren und therapieren

16. Kardiologie-Update-Seminar, 26./27.2.2021

Potentiell tödlich verlaufende akute Herzerkrankungen müssen schnell richtig diagnostiziert und therapiert werden, um schwere Verläufe bis hin zum Tod des Patienten möglichst zu verhindern; ansonsten droht auch der Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Wichtige aktuelle Studienergebnisse hierzu, die auch aus gutachtlicher Sicht durchaus relevant sein können, wurden auf dem 16. Kardiologie-Update-Seminar am 26. und 27. Februar 2021 (Livestream-Veranstaltung) vorgestellt; hier einige Auszüge entsprechender Referate:

Tod durch stillen Myokardinfarkt

Der plötzliche Tod aufgrund einer koronaren Herzerkrankung gilt als häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod ab dem 35. Lebensjahr, berichtete Lars Eckardt von der Klinik für Kardiologie II – Rhythmologie am Universitätsklinkum Münster. In einer großen finnischen Fallkontrollstudie der „Finnish Genetic Study of Rhythmic Events“ (Vähätalo, 2019) wurden nun Autopsieergebnisse, klinische Angaben und EKG-Befunde bei stillem Myokardinfarkt („silent myocardial infarction“) an einer Population mit nachgewiesenem plötzlichem Herztod untersucht.

Ein stiller Myokardinfarkt fand sich bei 42 % der Personen, die einen plötzlichen Herztod erlitten, jeweils ohne anamnestische Hinweise auf eine vorbekannte koronare Herzerkrankung. Personen mit stillem Myokardinfarkt waren älter als diejenigen ohne eine Myokardnarbe und waren häufiger männlich.

Bei Verstorbenen mit stillem Myokardinfarkt trat ein plötzlicher Herztod häufiger bei körperlicher Aktivität auf. Ein vorheriges EKG war bei 67 % der Personen, die einen plötzlichen Herztod bei stillem Myokardinfarkt erlitten, auffällig, gegenüber 55 % der Personen, die einen plötzlichen Herztod ohne stillen Myokardinfarkt erlitten. Zu den auffälligen EKG-Befunden zählten QRS-Fragmentierungen, Q-Wellen und negative T-Wellen.

Das Vorhandensein eines stillen Myokardinfarkts bei Personen, die einen plötzlichen Herztod erlitten hatten, war mit höherem Lebensalter, männlichem Geschlecht, einer linksventrikulären Hypertrophie und einem plötzlichen Herztod bei körperlicher Anstrengung assoziiert. Negative T-Wellen und Q-Zacken konnten bei einem relevanten Anteil von Patienten in vorhergehenden EKG-Aufzeichnungen nachträglich dokumentiert werden.

Diese große retrospektive Untersuchung belegt die klinische Vermutung, dass bei vielen Personen ein plötzlicher Herztod auf einen stillen Myokardinfarkt zurückzuführen ist, kommentierte Eckardt die Ergebnisse. Die Tatsache, dass verfügbare EKG-Untersuchungen vor dem plötzlichen Herztod bei einem hohen Anteil von Personen auffällig waren, unterstreiche den Wert einer routinemäßigen und kritischen EKG-Befundung bei älteren Menschen.

Akute Herzinsuffizienz als ­kardiologischer Notfall

Die akute Herzinsuffizienz ist ein potentiell lebensbedrohlicher Notfall, erklärte Michael Böhm vom Universitätsklinikum des Saarlandes, Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie, Internistische Intensivmedizin. Die frühe Entlastung des Ventrikels in der Regel mit Diuretika in den ersten 30 bis 60 Minuten verbessert die Prognose!

Bei der chronischen Herzinsuffizienz kann es schnell und unerwartet zur akuten Dekompensation durch Verschlechterung der Herzinsuffizienz unter Beteiligung von sogenannten Triggerfaktoren wie Anämie, Blutdruckentgleisung, inadäquate hohe Herzfrequenz bei Tachyarrhythmie oder die Nichteinnahme von Diuretika kommen. Hierbei spricht man von einer sich akut verschlechternden chronischen Herzinsuffizienz.

Neben der Dekompensation kann eine akute stationäre Aufnahme auch wegen einer neu aufgetretenen und erstmalig diagnostizierten Herzinsuffizienz („de novo“) auftreten. Die akute Dekompensation bei chronischer Herzinsuffizienz macht etwa 80 % bis 90 % der Fälle aus, wohingegen die Dekompensationen bei einer „de novo“-Herzinsuffizienz nur bei etwa 10 % bis 20 % der Fälle vorliegt.

Wichtig ist eine schnelle kardiale Entlastung bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz-Dekompensation, die im Wesentlichen durch eine rasche Diuretika-Therapie erzielt werden kann, um die Wandspannung und daher die neuroendokrine Aktivierung und den Myozytenverlust zu hemmen. Diese könnte zur Verhinderung maladaptiver pathophysiologischer Veränderungen führen, die ja an der Erhöhung von Verletzungsmarkern wie Troponin-T ablesbar sind.

Dementsprechend kann wahrscheinlich eine frühe Entlastung das ventrikuläre Remodeling günstig beeinflussen. Somit scheint das Konzept „Time is Muscle“ auch bei akuter Herzinsuffizienz, wie bekanntermaßen beim akuten Koronarsyndrom, bedeutsam zu sein. Ein Zeitverlust entsteht jedoch häufig durch eine zu langsam durchgeführte Diagnostik und ein Zuwarten bis zur endgültigen Initiierung einer entlastenden Therapie, kritisierte Böhm.

„Elektrischer Sturm“ – ein lebensbedrohendes Krankheitsbild

Die „incessant“ oder unaufhörliche Kammertachykardie oder „elektrischer Sturm“ ist ein schweres Krankheitsbild mit dem permanenten oder häufig rezidivierenden Auftreten einer ventrikulären Tachykardie, berichtete Thorsten Lewalter von der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Internistische Klinikum München Süd. Der Patient ist trotz der akuten hämodynamischen Tolerabilität durch eine zunehmende Tachymyopathie mit schwerer kardialer Dekompensation bedroht, sofern die Tachykardie über 24 Stunden anhält.

Der elektrische Sturm ist definiert als anhaltend oder gehäuft, d. h. mehr als dreimalig innerhalb von 24 Stunden auftretende ventrikuläre Tachykardie definiert, die entweder eine Schockabgabe oder antitachykarde Stimulation benötigt. Das Krankheitsbild hat eine hohe Mortaliltät; rezidivierende ventrikuläre Arrhythmien sollten wenn möglich einer Katheterablation unterzogen werden.

Der inzwischen gut geübte Einsatz von Kreislaufunterstützungssystemen hat die invasive Behandlung des elektrischen Sturms sicherer gemacht, führte Lewalter aus. Dennoch seien diese Eingriffe mit einer relevanten Gefahr verbunden; von daher müsse alles daran gesetzt werden die Ablation aus der Notfallzone herauszuholen, z. B. via Ursachentherapie, Sedierung etc.

Risikostratifikation bei Lungenembolie entscheidend

Die Risikostratifikation von Patienten mit diagnostizierter Lungenembolie ist für das Patienten-Management entscheidend, betonte Stephan Rosenkranz von der Universitätsklinik III für Innere Medizin – Herzzentrum in Köln.

Konsequenzen für Patienten mit „intermediär-hohem“ Risiko (rechtsventrikuläre Dysfunktion und erhöhte kardiale Marker) sind neben der Antikoagulation ein hämodynamisches Monitoring und eine mögliche „Rescue“-Reperfusion bei initial hämodynamisch stabilen Patienten, die sich im Verlauf verschlechtern. Dagegen werden Patienten mit „intermediär-niedrigem“ Risiko (keine rechtsventrikuläre Dysfunktion und/oder normale kardiale Marker) lediglich hospitalisiert und antikoaguliert.

Die aktuellen ESC/ERS-Leitlinien (Konstantinides et al, 2020) betonen die Bedeutung der Echokardiographie für die Risikobeurteilung und die daraus abgeleiteten therapeutischen Konsequenzen. Bei hämodynamisch instabilen Patienten reichen solche Veränderungen in der Notfallsituation für die Bestätigung der Diagnose einer Lungenembolie aus und rechtfertigen eine Reperfusionstherapie.

Umgekehrt ist die Information über das Fehlen einer rechtsventrikulären Dysfunktion zur Identifikation von Patienten mit Lungenembolie, welche rasch entlassen oder sogar ambulant behandelt werden können, wichtig.

Effektivität der extrakorporalen ­Zirkulation beim akuten Koronar­syndrom fraglich

Der Einsatz einer extrakorporalen Zirkulation kann beim akuten Koronarsyndrom und kardiogenem Schock erwogen werden, erklärte Tanja Rudolph vom Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Innere Medizin / Kardiologie, in Bad Oeynhausen; die Wirksamkeit einer solchen Behandlung ist allerdings fraglich.

Eine aktuelle Registeranalyse von knapp 7.000 Patienten mit veno-arterieller extrakorporaler Membran-Oxygenierung bei kardiogenem Schock (Acharya et al, 2020) zeigt, dass das mittlere Überleben bis zur Krankenhausentlassung etwa 40 % betrug; unabhängig davon, ob die Patienten einen akuten Myokardinfarkt hatten oder einen anderen Grund für die Kreislaufunterstützung. Unabhängige Risikofaktoren für das Überleben waren höheres Alter, Übergewicht, niedriger pH und diastolischer Blutdruck.

Das schlechteste Outcome hatten die Patienten mit Herzstillstand. Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt und Anlage der extrakorporalen Zirkulation ohne vorherige Wiederherstellung des Kreislaufes betrug die Überlebenswahrscheinlichkeit nur noch 23,5 %.

Aktuell werden der Einsatz von linksventrikulären Unterstützungssystemen sowie die extrakorporale Zirkulation im Rahmen des akuten Koronarsyndroms nur mit einer Klasse-IIb-C empfohlen (Collet et al, 2020). Randomisierte Studien hierzu laufen derzeit, berichtete Rudolph.

Literatur

1 Vähätalo, J.H., Huikuri, H.V., Holmström, L.T.A. et al. (2019). Association of silent myocardial infarction and sudden cardiac death. JAMA Cardiol. 4, 796-802.

2 Konstantinides, S.V., Meyer, G., Becattini, C. et al. (2020). 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism; developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS). Eur Heart J., 41, 543-603.

3 Acharya, D., Torabi, M., Borgstrom, M. et al. (2020). Extracorporeal membrane oxygenation in myocardial infarction complicated by cardiogenic shock: analysis of the ELSO registry. J Am Coll Cardiol. ,1001-1002.

4 Collet, J.P., Thiele, H., Barbato, E. et al. (2020). ESC Scientific Document Group. 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J. Aug 29: ehaa 575.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden