So sind unter anderem die Ergebnisse der Stuhluntersuchungen durch das Weiterwachsen der Bakterien im Stuhl während des Transports in das Labor nicht repräsentativ für die lokale Situation im Darm. Selbst in wissenschaftlichen Studien sind die Ergebnisse der Mikrobiom-Analyse im Stuhl aufgrund der unzureichenden Standardisierung des Stuhlverhaltens unklar: So werden das Mikrobiom und seine Diversität von Stuhlfrequenz, -menge, -konsistenz und -wassergehalt bestimmt – wichtige Einflüsse, die in den meisten Studien aufgrund der nicht standardisierten Stuhlabnahme nicht berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass die der Schleimhaut assoziierten Bakterien (Mukosa-assoziiertes Mikrobiom) durch die luminalen Bakterienbestimmungen im Stuhl nur unzureichend erfasst werden.
Trotz großer Anstrengungen und umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchungen sind wir zudem immer noch nicht in der Lage, das „gesunde“ Mikrobiom im menschlichen Darm zu definieren, berichtete Frieling. Grundlegende Vorstellungen über die Menge des Mikrobioms, die immer wieder in vielen Arbeiten aufgeführt werden, sind nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen falsch. Auch sind die Gründe für etwa 80 Prozent der wichtigen Bakterienvielfältigkeit (Diversität) im Magendarmtrakt noch völlig unklar.
Aufgrund der genannten Limitationen ist auch heute noch das Wissen über die klinische Relevanz des gastrointestinalen Mikrobioms bei Erkrankungen lückenhaft. Bei den meisten Erkrankungen kann zwar eine Abnahme der Mikrobiom-Diversität nachgewiesen werden; eine verlässliche Charakterisierung von typischen krankheitsbestimmenden Bakterien ist aufgrund der heterogenen und unzureichenden Studienlage jedoch nicht möglich.
Daher wissen wir immer noch nicht präzise, wie wir das menschliche Mikrobiom so modifizieren müssen, dass die Gesundheit positiv beeinflusst werden kann, führte Frieling aus. Obwohl die Ernährung als Schlüsselfaktor bei der Beeinflussung des Mikrobioms und der Energiebilanz im Körper gesehen wird, ist unser Wissen auch hierüber noch lückenhaft.
Dies trifft auch für den Einsatz von Probiotika zu: Hier gibt es zwar in der Reizdarm-Leitlinie Auflistungen über einen symptomorientierten Einsatz bestimmter Bakterienstämme; die Datenlage ist jedoch spärlich. Dies bedeutet in der Praxis, dass verschiedene Probiotika immer noch individuell ausprobiert werden müssen und in der Breite kein einzelnes Probiotikum gegenüber anderen Präparaten empfohlen werden kann, so Frieling.
Anmerkung aus gutachtlicher Sicht
Diese Ausführungen sind gerade für den Gutachter in der privaten Krankenversicherung (PKV) von besonderem Interesse – werden dort doch immer wieder Rechnungen über eine (mikrobiologische Stuhluntersuchung (sog. „Stuhlökogramme“) als angeblich medizinisch notwendige Dysbiose-Diagnostik zur Kostenerstattung eingereicht.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden