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„Mitochondriopathie“ als aktuelles Konzept in der Komplementärmedizin

Aktuell wird der aus der wissenschaftlichen Medizin stammender Begriff der Mitochondriopathie häufig unzulässigerweise im Bereich der Alternativ- bzw. Komplementärmedizin verwendet, was aus gutachtlicher Sicht sehr kritisch zu sehen ist.

So behauptete etwa die Vizepräsidentin des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin e.V. (ZAEN) Monika Pirlet-Gottwald anlässlich des 139. ZAEN-Kongresses vom 16. bis 20. September 2020 in Freudenstadt, dass schwere (chronische) virale Infekte, Silent-Inflammation, chronischer Stress, fehlerhafte Ernährung und zu wenig oder falsche Bewegung zu chronischen Störungen der mitochondrialen Energiegewinnung – und somit zu Mitochondriopathien – führen, häufig in Form eines Chronischen Müdigkeitssyndroms (CFS).

Die Symptome seien vielschichtig, so Pirlet-Gottwald: Schmerzen, insbesondere Myalgien, und Kraftlosigkeit bis hin zu Konzentrationsstörungen und dementiellen Symptomen. Eine differenzierte Stoffwechseldiagnostik, Laborparameter zur Mitochondrien-Funktion, zum Glutathion-Stoffwechsel, zur antioxidativen Kapazität und zum Immunsystem zeigen angeblich den Weg zu einer nachhaltigen Therapie: Dabei sollen die Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie und die Ozon-Eigenblut-Therapie direkt den mitochondrialen Glutathionstoffwechsel verbessern, während eine orthomolekulare orale oder perenterale Supplementierung sich positiv auf die antioxidative Kapazität auswirke.

Kritisch anzumerken ist, dass es sich bei echten Mitochondriopathien um eindeutig definierte Krankheitsbilder handelt, die entsprechend als Diagnosen (mit ICD-10 Kodierung) genannt werden müssen. Dagegen handelt es sich hier um ein ausgesprochen fragwürdiges, spekulatives alternativmedizinisches Konzept.

Bei gutachtlicher Beurteilung entsprechender Behandlungen ist zunächst zu prüfen, was für ein Krankheitsbild tatsächlich vorliegt bzw. nach der Anamnese, den vorgelegten Unterlagen und den erhobenen Befunden wahrscheinlich ist. In aller Regel ist dann weder für eine umfangreiche spezielle (und teure) Labordiagnostik in einschlägig bekannten Speziallabors noch für eine Therapie etwa mit Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen usw. nach dem Konzept der orthomolekularen Medizin oder gar für umstrittene apparative Behandlungsmethoden wie Sauerstoff- bzw. Ozon-Therapieverfahren eine medizinische Notwendigkeit zu erkennen.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden

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