Die dreidimensionale radiologische Bildgebung mittels CT bzw. DVT stellt einen essenziellen Pfeiler in der Diagnostik von Orbitafrakturen dar, erklärte Rainer Schmelzeisen, Stellvertretender Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Freiburg, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, auf dem 11. Ophthalmologie-Update-Seminar am 21. und 22. Januar 2022 in Berlin. Dabei ist die Befundung entsprechender Aufnahmen ohne zeitliche Verzögerung in diesem Bereich von besonderer klinischer Relevanz.
Eine Fraktur der Orbita findet sich im Erwachsenenalter bei bis zu 20 % der Patienten mit Schädelverletzungen, wobei sich eine Prädominanz für Männer sowie ein Häufigkeitsgipfel im dritten Lebensjahrzehnt zeigen. Hinsichtlich des Unfallmechanismus wurde (durch die in den letzten Dekaden kontinuierlich angestiegene Straßen- und Fahrzeugsicherheit) eine Entwicklung weg von Verkehrsunfällen als häufigste Ursache hin zu Verletzungen im Rahmen körperlicher Auseinandersetzungen beobachtet.
Bei einem Schädelhirntrauma wird zwar die Indikation zur radiologischen Diagnostik in der Regel großzügig gestellt; die CT-Bildgebung des Schädels deckt die knöchernen Orbitae jedoch häufig nicht vollständig ab. Hierdurch wird die Abwägung zwischen Commotio-Überwachung und gegebenenfalls erforderlicher dringlicher chirurgischer Behandlung erschwert, woraus eine für den Patienten nachteilige Verzögerung der Erkennung und Behandlung von Orbitafrakturen resultieren kann, warnte Schmelzeisen.
Die Identifikation von Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Fraktur der Orbita anhand klinischer Befunde könne helfen, diese Verzögerung sowie eine erneute radiologische Diagnostik (und damit auch zusätzliche Strahlenbelastung) zu vermeiden.
Aus gutachtlicher Sicht ist ergänzend anzumerken, dass bei Übersehen einer Orbitafraktur wegen des Unterlassens von weitergehender radiologischer Bildgebung der Vorwurf eines Befunderhebungsfehlers droht, wobei dann die Beweislast bei Arzt liegt.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden