Die perioperative Diagnose myokardialer Schädigungen und Ischämien ist schwierig, da die klassischen Symptome wie thorakaler Schmerz durch die perioperative Analgesie häufig verdeckt werden, berichtete Detlef Kindgen-Milles von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf auf dem 13. Anästhesie-Update-Seminar am 11. und 12. November 2022 in Mainz. Auftretende Schmerzen werden oft fehlinterpretiert und mit dem operativen Eingriff in Verbindung gebracht.
In der perioperativen Medizin kann es bei Patienten zu einer klassischen myokardialen Ischämie (Typ 1 Myokardinfarkt, verursacht durch Ruptur eines atherosklerotischen Plaques) kommen. Die Behandlungsstrategien unterscheiden sich dann – unter zusätzlicher Berücksichtigung des Blutungsrisikos – prinzipiell nicht von denen außerhalb der operativen Medizin, insbesondere beim ST-Hebungsinfarkt.
Sehr häufig kommt es bei hoher perioperativer Belastung aber zu einer Typ 2 Myokardischämie, die durch ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf verursacht werden kann, oder zu einer perioperativen nicht-ischämischen Myokardschädigung.
Seit einigen Jahren wird in diesem Kontext der Stellenwert perioperativer (nicht-anlassbezogener) Bestimmungen von Troponin T (TropT) diskutiert. Das wesentliche diagnostische Kriterium ist ein Anstieg des kardialen Troponins über die 99. Perzentile, typischerweise in einem Zeitfenster von 72 Stunden postoperativ. Auch TropT-Anstiege zwischen 20 ng/l und 65 ng/l sind bereits mit einer schlechten Prognose verbunden, und zwar unabhängig von der klinischen Symptomatik. Die 30-Tage Sterblichkeit korreliert mit der Höhe des Troponin-Anstiegs.
Eine zentrale Bedeutung in der Prävention und Therapie der manifesten Myokardschädigung haben die hämodynamische Stabilisierung und vor allem die Vermeidung perioperativer Hypotensionen.
Unabhängig von den unmittelbaren perioperativen Folgen ist eine Detektion von Typ 2 Ischämien auch deshalb wichtig, weil diese Patienten in den nächsten Jahren ein hochsignifikant erhöhtes Risiko für weitere kardiale Ereignisse haben und somit z. B. von einer medikamentösen Prophylaxe mit ASS profitieren können. Dieser Zusammenhang wurde inzwischen an mindestens 6 großen Studien mit insgesamt über 44.000 Patienten nachgewiesen und kann somit als gesichert gelten.
Neben den unmittelbaren Konsequenzen der intensiven perioperativen Stabilisierung und Überwachung wird daher individualisiert eine intensive Diagnostik empfohlen, die z. B. eine Echokardiographie, wiederholte EKG-Kontrollen und u. U. auch eine nicht-invasive Ischämie-Diagnostik, eine Kardio-CT-Untersuchung oder eine Koronarangiographie beinhalten kann. Eine aggressive Prophylaxe kardiovaskulärer Komplikationen sollte dann folgen.
Inzwischen ist der „Zufallsbefund“ einer perioperativen TropT-Erhöhung zu einem etablierten und klar definierten Risikofaktor geworden, kommentierte Kindgen-Milles die aktuelle Studiendaten. Eine routinemäßige TropT-Bestimmung bei Risikopatienten und Risikointerventionen könnte daher in Zukunft zum Standard werden, zumal inzwischen auch Strategien für das Kurz- und Langzeitmanagement dieser Patienten publiziert seien.
Aus gutachtlicher Sicht ist anzumerken, dass gerade bei alten Patienten mit kardialen Risikofaktoren und unerkannter perioperativer Myokardschädigung der Verzicht auf eine perioperative TropT-Bestimmung ggf. zum Vorwurf eines Behandlungsfehlers führen kann.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden