Die Entwicklung der kathetergestützen Aortenklappenimplantation (Transcatheter Aortic Valve Implantation, TAVI) hat die Therapie der Aortenklappenstenose revolutioniert, da ein Großteil der Patienten zu krank für einen konventionell-chirurgischen Eingriff ist, erklärte Stephan Baldus vom Herzzentrum der Uniklinik Köln auf dem 18. DGK-Kardiologie-Update-Seminar am 17. und 18. März 2023 in Mainz.
Die Aortenklappenstenose ist die häufigste Herzklappenerkrankung in Deutschland und weist eine ausgeprägt altersabhängige Prävalenz auf. Sobald Symptome vorliegen, geht die Erkrankung unbehandelt mit einer dramatischen Sterblichkeit einher. Mehr als die Hälfte der in Deutschland behandelten Patienten ist über 80 Jahre alt.
Mittlerweile werden über 20.000 TAVIs in Deutschland pro Jahr vorgenommen, während die Zahl der konventionell-chirurgischen Eingriffe um knapp 1/3 auf etwa 8.000 Eingriffe pro Jahr zurückgegangen ist. Wenn nur 5 inoperable Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose mittels TAVI behandelt werden, kann im Vergleich zur alleinigen konservativen Therapie ein Todesfall innerhalb von 5 Jahren verhindert werden.
Eine Reihe randomisierter Studien hat den Therapieerfolg von TAVI und chirurgischem Aortenklappenersatz bei Patienten mit hohem (PARTNER 1, CoreValve High Risk), intermediärem (PARTNER 2, SURTAVI), und geringem (PARTNER 3, Evolut Low Risk) OP-Risiko verglichen, wobei insgesamt in keiner der Gruppen ein klarer Vorteil des operativen Vorgehens gezeigt werden konnte. Dies hat dazu geführt, dass das OP-Risiko als Indikator für die Entscheidung zwischen konventioneller Operation und TAVI in den Hintergrund gerückt ist und nun das Patientenalter eine wesentliche Rolle spielt.
So wird in den aktuellen ESC/EACTS Guidelines bei allen Patienten ≥ 75 Jahre eine TAVI unabhängig vom OP-Risiko klar empfohlen (Klasse-I-Empfehlung). Weiterhin stellt die TAVI unabhängig vom Alter bei hohem OP-Risiko (STS-PROM/Euroscore II > 8 %) oder bei inoperablen Patienten die Therapie der Wahl dar. Jüngere Patienten (< 75 Jahre) mit niedrigem OP-Risiko (STS-PROM/ Euroscore II < 4 %) oder Patienten, die für eine transfemorale TAVI ungeeignet, aber operabel sind, sollten dagegen weiterhin vorzugsweise konventionell chirurgisch versorgt werden. Wichtig ist, dass die Entscheidung der Behandlungsmodalität stets im Herz-Team besprochen wird, wobei der Patientenwunsch berücksichtigt werden sollte (Klasse-I-Empfehlung).
Besonders wichtig ist eine ausführliche Evaluation bei Patienten, die anhand der genannten Kriterien nicht eindeutig einer der beiden Therapiestrategien zugeordnet werden können, also z. B. jüngere Patienten mit intermediärem Risiko. Da die Behandlungsergebnisse der nicht-transfemoralen TAVI vergleichsweise schlecht sind, ist dieses Verfahren Ausnahmesituationen vorbehalten, in denen weder eine konventionelle Operation noch eine transfemorale TAVI in Frage kommen (Klasse-IIb-Empfehlung).
Vahanian A et al. (2021). 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur. Heart J., 43, 561–632.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden