Erschwert wird die biochemische Diagnostik durch die Tatsache eines altersabhängigen Abfalls des Testosteronspiegels von etwa ein bis zwei Prozent pro Jahr. Auch sind die zirkadiane Rhythmik von Testosteron mit maximalen Serumspiegeln in den frühen Morgenstunden und um bis zu 24 Prozent niedrigeren Spiegeln im Tagesverlauf ebenso zu berücksichtigen wie ein Abfall des Testosterons um bis zu 25 Prozent bei nicht-nüchterner Blutentnahme sowie auch der Einfluss akuter Erkrankungen und bestimmter Medikamente wie Opiate und Glukokortikoide.
Das freie, physiologisch aktive Testosteron macht nur etwa 0,5 bis drei Prozent des Gesamttestosterons aus, während der überwiegende Anteil des
Gesamttestosterons an Albumin und Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) gebunden ist. Das freie Testosteron kann nach Bestimmung von Gesamttestosteron, Albumin und SHBG mit Annäherungsformeln zum Beispiel nach Vermeulen (Kalkulator unter www.issam.ch) abgeschätzt werden. Die direkte Messung des freien Testosterons mit den derzeit für die Routine verfügbaren Assays wird dagegen nicht empfohlen, erklärte Petersenn.
Erniedrigte SHBG-Spiegel werden bei Adipositas, Diabetes mellitus, nephrotischem Syndrom, Hypothyreose und Akromegalie sowie unter Behandlung mit Glukokortikoiden gefunden; erhöhte SHBG-Spiegel dagegen im höheren Lebensalter, bei Hepatitis und HIV, bei einer Hyperthyreose sowie unter einer Behandlung mit bestimmten Antiepileptika.
Der Grenzwert, bei dem typische Symptome eines Testosteronmangels auftreten, die sich durch eine Testosteronsubstitution verbessern lassen, ist bisher nicht sicher etabliert. Er unterscheidet sich auch für die einzelnen klinischen Symptome – für die meisten entspricht er jedoch dem unteren Grenzwert des Normalbereichs junger Männer von etwa 10,4 nmol/l (3 mg/ml). Aktuelle Guidelines schlagen daher die Diagnose eines männlichen Hypogonadismus bei wiederholt unterhalb dieses Grenzwerts erniedrigt gemessenen morgendlichen Testosteronspiegeln vor.
Einzelmessungen sind kritisch zu werten, da 30 Prozent der Männer mit leicht erniedrigten Testosteronwerten bei der Erstbestimmung dann Normalwerte bei der Wiederholungsmessung aufwiesen. Testosteron zeigt zudem eine erhebliche Variabilität von Tag zu Tag, sodass mindestens zwei unabhängige Testosteronbestimmungen zur Diagnose eines Hypogonadismus zu fordern sind, so Petersenn. Die Messwerte sollten zudem unter Einbezug von Alter und BMI interpretiert werden. Zudem sei die Bestimmung während einer akuten Erkrankung nicht sinnvoll.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden