Eine Versicherung kann Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) bei arglistiger Täuschung im Einzelfall auch nach über zehn Jahren verweigern, wenn der Versicherungsnehmer es genau auf den Ablauf dieser Frist angelegt hat. Das ist der Tenor eines Beschlusses des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig vom 23.10.2024 (AZ: 11 U 316/21).
Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind Versicherungsnehmer regelmäßig verpflichtet, insbesondere auf Nachfrage, wahrheitsgemäß Auskunft über ihre gesundheitliche Situation zu erteilen. Machen sie falsche Angaben, kann dies die Versicherung innerhalb der gesetzlich normierten Ausschlussfrist von zehn Jahren (§ 124 Abs. 3 BGB) im Einzelfall zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages berechtigen, mit der Folge, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistungen entfällt.
Eine besondere Konstellation lag nun dem Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig in einem Berufungsverfahren (11 U 316/21) zur Entscheidung vor:
Ein Versicherungsnehmer hatte trotz ausdrücklicher Nachfrage der Versicherung wahrheitswidrig verschwiegen, dass er vor Vertragsschluss unter psychischen Problemen gelitten und sich in Behandlung begeben hatte. In den folgenden Jahren war der Versicherungsnehmer unter anderem aufgrund psychischer Erkrankungen immer wieder krankgeschrieben und schließlich berufsunfähig. Er meldete den Versicherungsfall jedoch erst drei Tage nach Ablauf der 10-jährigen Ausschlussfrist.
Den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Zahlung der Versicherungsleistungen hat das OLG – wie bereits das Landgericht (LG) Göttingen in erster Instanz – abgelehnt und die Berufung des Versicherungsnehmers ohne erneute mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Der Versicherung habe das Recht zugestanden, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Der Versicherungsnehmer habe seinen Gesundheitszustand „verschleiert“ und bewusst wahrheitswidrig den Eindruck erweckt, dass keine gesundheitlichen Einschränkungen vorhanden seien.
Zwar könne die Versicherung den Vertrag aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr anfechten; dennoch seien dem Versicherungsnehmer die Versicherungsleistungen zu versagen. Seinem Leistungsanspruch stehe in diesem konkreten Fall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, da er unter Verstoß gegen Treu und Glauben den Versicherungsfall absichtlich nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemeldet habe. Damit habe er die Ausübung des Anfechtungsrechts durch die Versicherung gezielt vereitelt.
Dies folge für die Richter daraus, dass der Versicherungsnehmer bereits ein Jahr zuvor gewusst habe, dass der Versicherungsfall eingetreten sei, diesen aber erst genau drei Tage nach Ablauf der Ausschlussfrist gemeldet habe. Bei einer anderen Berufsunfähigkeitsversicherung habe er dagegen sofort den Eintritt seiner Berufsunfähigkeit angezeigt. Damit habe der Versicherungsnehmer – so das OLG in seiner Begründung – in besonders schwerem Maße gegen seine Pflicht verstoßen, auf die Interessen der Versicherung Rücksicht zu nehmen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 23.10.2024 (AZ: IV ZR 229/23) die in diesem Verfahren eingereichte Beschwerde des Versicherungsnehmers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden