Vielfach wird in Gerichtsverfahren – unter Hinweis auf ein vermeintlich nichtakzeptables Verhalten oder auf vermeintlich nichtakzeptable Äußerungen – beantragt, Sachverständige als befangen abzulehnen, warnt Reinhard Dettmeyer vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Gießen in der Fachzeitschrift „Rechtsmedizin“ (2020; 30: 49–54). Gutachter sollten daher in Gerichtsverfahren, auch in Strafverfahren, jedes Verhalten vermeiden, das den Anschein der Befangenheit hervorrufen könnte.
Dazu zählen unpassende schriftliche sowie auch mündliche Bemerkungen zu angeklagten Personen, zu Zeugen, über das Gericht oder auch zum erwarteten oder gar erhofften Ausgang des Verfahrens. Für Sachverständige gelten grundsätzlich die Ablehnungsgründe, die auch für Richter gelten (§ 406 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 ZPO sowie § 74 StPO).
Es gehört zu den Pflichten von Sachverständigen, allen Verfahrensbeteiligten aus sachverständiger Sicht Sachverhalte möglichst verständlich und präzise zu erläutern und ebenso nachvollziehbar zu begründen, warum welche gutachterliche Bewertung abzugeben ist. Dies schließt eine ggf. auch detaillierte Auseinandersetzung mit vorgebrachten Argumenten aller Parteien ein, so auch eine Stellungnahme zu Ausführungen von Privatgutachtern eines Verfahrensbeteiligten, z. B. von Verteidigerseite.
Wird ein Sachverständiger von einem sogenannten Parteigutachter allerdings mit zahlreichen Detailfragen und umfangreichen Literaturangaben geradezu überhäuft, dann sollte zunächst eine Beurteilung der entscheidenden Aspekte ausreichen, verbunden mit dem Hinweis, dass eine weitergehende Befassung damit ersichtlich nicht zielführend sein werde, weil es sich – aus eigener gutachterlicher Sicht – um eher abwegige Betrachtungen handele. Besteht aber das Gericht trotzdem auf einer weitergehenden Auseinandersetzung, etwa mit Fachartikeln aus der (Welt‑)Literatur, dann empfiehlt sich der vorherige Hinweis, dass dafür ein erheblicher Zeitaufwand anzusetzen sein werde, so Dettmeyer abschließend.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden