Viele Krebspatienten nehmen Zusatzstoffe, Supplements oder Vitamine während und besonders nach der Tumortherapie ein, oft ohne Wissen des behandelnden Onkologen.
Sehr interessante Daten dazu liefert eine Untersuchung, in der 1.134 Frauen mit Mammakarzinom, die in einer metronomischen Studie randomisiert mit Cyclophosphamid, Doxorubicin und Paclitaxel behandelt wurden, regelhaft und prospektiv nach ihrer Einnahme solcher Substanzen (z. B. Vitamine, Eisen, Glucosamin, Omega-3-Fettsäuren etc.) befragt wurden. Die verschiedenen Substanzen wurden also nicht randomisiert geprüft, aber es wurde immerhin mehr als einmal diese Abfrage nach Einnahme getätigt.
Dabei fanden sich folgende Ergebnisse:
· Die Einnahme antioxidativer Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamine A, C und E; Carotinoide; Coenzym Q10) sowohl vor als auch während der Behandlung war mit einem erhöhten Rezidivrisiko verbunden, in geringerem Maße auch mit der Mortalität.
· Die Beziehungen zu einzelnen Antioxidantien waren – möglicherweise aufgrund zu geringer Fallzahlen – schwächer.
· Bei Nicht-Antioxidantien war die Einnahme von Vitamin B12 sowohl vor als auch während der Chemotherapie signifikant mit einem schlechteren krankheitsfreien Überleben und auch Gesamtüberleben assoziiert.
· Die Einnahme von Eisen während der Chemotherapie war signifikant mit einem Rezidiv assoziiert, bei Einnahme sowohl vor als auch während der Behandlung. Die Ergebnisse für das Gesamtüberleben waren ähnlich.
· Die Anwendung von Multivitamintabletten zeigte keine Wirkung, weder positiv noch negativ.
Diese Daten stimmen mit den Empfehlungen zur Vorsicht bei Patienten überein, welche die Einnahme anderer Nahrungsergänzungsmittel als eines Multivitaminpräparats während der Chemotherapie erwägen (z. B. ASCO), erklärte Neubauer, und forderte die Onkologen auf: „Also raten Sie Ihren Patientinnen und Patienten bitte davon ab!“
Anmerkung aus gutachtlicher Sicht
Diese Erkenntnisse sind auch aus gutachtlicher Sicht relevant – wird doch von naturheilkundlich orientierten Ärzten (sowie von Heilpraktikern) typischerweise eine Krebsbehandlung mit Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere Antioxidantien, propagiert und durchgeführt, häufig zusätzlich zur schulmedizinischen onkologischen Behandlung. Diese fragwürdige Therapie soll dann oft, etwa von der privaten Krankenversicherung oder der Beihilfe, als angeblich medizinisch notwendige Behandlung erstattet werden!
Ambrosone, C.B., Zirpoli, G.R., Hutson, A.D. et al. (2020). Dietary supplement use during chemotherapy and survival outcomes of patients with breast cancer enrolled in a cooperative group cinical trial (SWOG S0221). J Clin Oncol, 8, 804-814.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden