Mitte 2019 traten in den USA erste Fälle von EVALI bei ansonsten gesunden Jugendlichen auf. Sie litten unter Atemnot, Müdigkeit und einem niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut und mussten infolgedessen stationär behandelt werden, fassen die in Yale tätigen Autoren Dr. med. Jonas Schupp und Dr.-Ing. Hanno Erythropel zusammen. Gemeinsam mit Professorin Dr. med. Antje Prasse von der Medizinischen Hochschule Hannover haben sie die seitdem erschienenen Fachpublikationen und Informationen der federführenden US-amerikanischen Behörde CDC („Centers for Disease Control and Prevention“) ausgewertet. Aktuell deutet vieles darauf hin, dass Vitamin-E-Acetat mit den Krankheitsfällen in Zusammenhang steht. Es hat eine ähnliche Konsistenz wie zum Dampfen extrahierte Cannabisöle und konnte in THC-haltigen E-Liquids nachgewiesen werden, denen es wohl als Streckmittel zugesetzt wurde. Laut CDC hatten die meisten EVALI-Patienten zuvor mit THC versetzte E-Liquids genutzt. „Als Nahrungsergänzungsmittel verwendet, kann Vitamin-E-Acetat problemlos über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden“, erklären die Autoren. Beim Einatmen mit dem Dampf einer E-Zigarette bestehe jedoch die Gefahr, dass es die Lungenbläschen und kleinste Atemwege schädigt. Die Sauerstoffaufnahme kann dadurch so weit eingeschränkt werden, dass Patienten auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Dass Vitamin-E-Acetat für die chemisch-toxische Pneumonitis oder die Lipoidpneumonie, wie Mediziner die Schädigungsmuster bezeichnen, allein verantwortlich ist, ist allerdings unwahrscheinlich. Erythropel und Schupp weisen darauf hin, dass auch weitere zugesetzte Stoffe problematisch für die Gesundheit sein können: „Gerade die nikotinhaltigen E-Liquids, die in Tausenden Geschmacksrichtungen erhältlich sind, enthalten meist eine Vielzahl von Aromastoffen. Diese kann man zwar problemlos als Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, allerdings ist oft völlig unklar, welche Effekte sie auf die Atemwege oder Lunge haben können. Dazu gehören neben akuten Effekten, wie zum Beispiel einer Reizung oder Beeinträchtigung des Abwehrmechanismus der Atemwege, auch die Frage, welche chronischen Effekte die Inhalation von E-Liquids über viele Jahren hinweg haben können.“ Auch die Angaben zu den einzelnen Inhaltsstoffen haben für die Wissenschaftler nur einen begrenzten Wert. Neueste Studien zeigten, dass chemische Reaktionen zwischen Inhaltsstoffen schon während der Lagerung erfolgen können. Vor diesem Hintergrund regen die Autoren eine erhöhte Sensibilität für E-Zigaretten-induzierte Lungenschädigungen in der medizinischen Praxis und eine bessere Aufklärung über mögliche Risiken des E-Zigaretten-Konsums in der Öffentlichkeit an. „Nicht vergessen sollte man, dass sowohl E-Zigaretten als auch konventionelle Zigaretten der Aufnahme von Nikotin, einem Suchtmittel mit hohem Abhängigkeitspotenzial, dienen“, so die Autoren. Die aktuellen Entwicklungen in den USA betrachten sie deshalb mit Sorge: So gehe der Konsum herkömmlicher Zigaretten unter Jugendlichen zwar stetig zurück. Doch die Verfügbarkeit von süßlichen E-Liquids habe bereits dazu geführt, dass eine „neue Generation“ Nikotin-Süchtiger heranwächst: mehr als ein Viertel aller Schüler der 9. bis 12. Klasse nutzten nikotinhaltige E-Zigaretten. In Deutschland ist der Trend noch nicht angekommen. Laut dem Drogenbericht der Bundesregierung griffen 2019 weniger als ein Prozent der 14- bis 17-Jährigen regelmäßig zu E-Zigaretten.
J. C. Schupp et al.: E-Zigaretten – Funktionsweise, Inhaltsstoffe und die Vaping-assoziierte akute Lungenschädigung, Pneumologie 2020; 73 (2); S. 77–87
Pressemitteilung der Thieme Gruppe