Während viele Frakturen im Gesicht früher häufig konservativ durch eine mehrwöchige Ruhigstellung beider Kiefer – zum Beispiel über Schienen an den Zähnen – behandelt wurden, wird ein Großteil dieser Brüche mittlerweile chirurgisch versorgt. „Heute profitieren unsere Patienten von den Vorteilen einer virtuellen Operationsplanung“, erklärte Max Heiland, Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Charité in Berlin und DGMKG-Vorstandsmitglied. Die Experten nennen dieses Prozedere „Virtual Surgical Planning“ (VSP). „Wir planen vor der Operation das individuelle Vorgehen und die beste Technik für jede einzelne Verletzung.“
Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen nutzen dafür Computer- und/oder Kernspintomografie sowie 3-D-Drucker, mit deren Hilfe sie bei Knochentransplantationen patientenspezifische Sägeschablonen und Osteosyntheseplatten herstellen können. „So eine Operation ist kürzer und liefert bessere Ergebnisse, da die Implantate im Vorfeld individuell auf jeden Patienten angepasst werden können“, so Heiland.
Die MKG-Spezialisten verwenden dabei die unterschiedlichsten Materialien: Von resorbierbaren Membranen über vorgebogene Titangitter bis zu Patienten-spezifisch 3D-gedruckten Implantaten. Meist müssen diese Materialien und Schrauben nicht wieder entfernt werden. „Wir versuchen auf jeden Fall, Folgeoperationen oder spätere Korrekturen zu vermeiden.“
Bei schweren Gesichtsverletzungen im Zuge eines Polytraumas wird der Patient im Krankenhaus erst einmal stabilisiert. Für Gesichtschirurgen bedeutet dies, zunächst einmal die Atemwege des Patienten zu sichern und danach seine Blutungen zu stillen. Die Versorgung der Knochenbrüche kann meistens etwas warten.
Bei komplexen Frakturen im Mittelgesicht mit Beteiligung der Augenhöhlen ist die Wiederherstellung des Augenhöhlenvolumens entscheidend, sodass der Augapfel nach Rückgang der unfall- und operationsbedingten Schwellung wieder seine ursprüngliche Position hat. Andernfalls können Doppelbilder und sogar ein Eingesunkensein des Augapfels zurückbleiben.
„Ist eine Augenhöhle betroffen, simulieren wir am Computer die Anatomie der verletzten Augenhöhle durch Spiegelung der unverletzten Seite“, führte Heiland dazu aus. „So kann der Augapfel nach Rückgang aller Schwellungen wieder seine ursprüngliche Position einnehmen. Sehstörungen wie Doppelbilder oder einen eingesunkenen Augapfel können wir durch diese Behandlungsmethode verhindern.“ In Abhängigkeit der Defektgröße und der Lokalisation und der Beschwerden der Patienten wird dann die geeignete Methode zur Rekonstruktion festgelegt.
Bei der Behandlung von schwereren sowie auch von leichteren Gesichtsverletzungen kümmern sich die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen neben einer funktionellen auch um eine ästhetische Wiederherstellung des Gesichts. „Um erneute Schnitte und demzufolge später dann auch Narben zu vermeiden, nehmen wir notwendige Zugänge möglichst vom Mund aus oder auch über bestehende Platzwunden vor“, so Heiland.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden