Auf die diagnostischen Probleme und die teils problematische Abtrennung dieser Diagnose insbesondere von der dissozialen Persönlichkeitsstörung sowie die Bedeutung dieser Erkrankung in verschiedenen Rechtsbereichen geht Hausotter in einer Übersicht in der Zeitschrift „Versicherungsmedizin“ ein. Wenn nach einigen Untersuchungen insbesondere unter Rezidivtätern in deutschen Strafanstalten 43 % ADHS-Symptome aufweisen und die hiervon Betroffenen in 83 % Vorstrafen aufwiesen entgegen 56 % bei hiervon unbelasteten Vergleichspersonen, so ist die Bedeutung der exakten Diagnosestellung eindeutig. Weiter ist bekannt, dass Personen mit ADHS ein unfallgeneigtes Verhalten aufweisen, weniger qualifizierte Schul- und Berufsabschlüsse erreichen und ein deutlich erhöhtes Risiko für Alkohol- und Drogenkonsum haben.
Im Strafrecht ist die Frage der Verantwortungsfähigkeit nur in Zusammenhang mit möglichen Komorbiditäten zu beurteilen, wobei letztlich die Steuerungsfähigkeit, weniger die Einsichtsfähigkeit zu beurteilen sein wird. Eine Minderung dieser Steuerungsfähigkeit wird zu bejahen sein, wenn zwischen Deliktstruktur und ADHS-Symptomatik eine Verbindung hergestellt werden kann. Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB wird jedoch kaum je bestehen. Die Verhandlungsfähigkeit kann jedoch durchaus beeinträchtigt sein.
Im Sozialrecht kommt neben den schon erwähnten Ausbildungsproblemen eine dauernde Störung der Konzentration hinzu verbunden mit einer verminderten Stressresistenz, so dass schon frühzeitig bei der arbeitsmedizinischen Begutachtung auf diese Besonderheiten geachtet werden sollte, insbesondere auf eine spezielle Strukturierung des Arbeitsplatzes. Ist die Diagnose bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung, einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder einer Lebensversicherung bereits bekannt, so ist diese selbstverständlich der Versicherung anzugeben, andernfalls zivilrechtliche Probleme entstehen werden. Geschäftsfähigkeit oder Testierfähigkeit werden nur bei ausgeprägten Komorbiditäten beeinträchtigt sein. Diese Komorbiditäten sind auch für Einstellungen nach dem Beamtenrecht entscheidend für die gutachterliche Feststellung. Eine Dienstunfähigkeit bei Feuerwehr und Polizei wird man bei Diagnose dieser Erkrankung während dieses Dienstes nicht notwendigerweise annehmen müssen, ebenso wenig im Dienst der Bundeswehr, immer ist nach gutachterlicher Untersuchung auf den Einzelfall abzustellen. Auch ist bei Musterung unter Beachtung dieser Voraussetzungen nicht grundsätzlich wie früher von einer Untauglichkeit zum Wehrdienst auszugehen.
Von dem ADHS Betroffene haben eine wesentlich höhere Unfallwahrscheinlichkeit allgemein und auch im Straßenverkehr, ein genereller Zweifel an der Fahreignung ist aber nicht zu begründen. Zusätzliche Einflüsse einer dem BtmG unterliegenden Medikation sind immer zu beachten. Das Schwerbehindertenrecht stellt seit der 4. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung auf die Beurteilung von Integrationsfähigkeit und Ausmaß der notwendigen Unterstützung im täglichen Leben ab, entsprechend reicht der GdS-Rahmen von 10 bis 100, ab dem 25.Lebensjahr aber nur bis zu einem Wert von 50.
(Hausotter W: ADHS als Begutachtungsproblem bei Erwachsenen. Versicherungsmedizin 65 (2013), 1: 20–23)
E. Losch, Frankfurt/Main