Nach Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen sind an etwa 16 Prozent aller LKW-Unfälle schläfrige Fahrer schuld. Allgemein sollen für 15 bis 20 Prozent aller Verkehrsunfälle Schläfrigkeiten am Steuer ursächlich sein. Für die USA existieren Schätzungen, dass durch derartige Unfallursachen Kosten in Höhe von etwa 50 Milliarden Dollar jährlich entstehen.
Merkmale einer erhöhten Tagesschläfrigkeit sind Aufmerksamkeitsstörungen, ungewolltes Einschlafen und eine erhöhte Schlafneigung, dies meist in monotonen Umweltsituationen, wie etwa bei langen Autofahrten, so die Autoren Popp und Geisler in einem Beitrag für die Zeitschrift „Somnologie“. Diese Monotonie zählt selbst zu den Ursachen einer erhöhten Tagesschläfrigkeit, zusammen mit Schlafmangel und reduzierter Schlafqualität. Einfluss nehmend sind weiter Medikamente und natürlich Alkoholkonsum, wobei nach Studien eine Phase von 18,5 Stunden ohne Schlaf die Fahrleistungen vergleichbar beeinträchtigt wie ein Blutalkoholspiegel von 0,5 Promille. Bei einem manifesten Schlafapnoesyndrom ist das Unfallrisiko um 1,2 bis 4,9fach erhöht, ebenso bei Erkrankungen wie Narkolepsie und idiopathischer Hypersomnie.
Jeder Fahrer ist nach der Rechtsprechung selbst dafür verantwortlich zu erkennen, wann seine Fahrtauglichkeit auch durch Anzeichen von Schläfrigkeit (ein plötzliches Einschlafen ohne diese Anzeichen gibt es nicht) beeinträchtigt ist. Unfälle bedingt hierdurch können zivil- und auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
In den seit Mai 2014 gültigen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen findet sich in einem gesonderten Kapitel zur Tagesschläfrigkeit der Leitsatz, dass ein Fahrzeug nicht führen kann, wer „unter messbarer auffälliger Tagesschläfrigkeit leidet“. Bei entsprechenden Hinweisen auf eine Einschlafneigung im Alltag oder in monotonen Situationen muss eine schlafmedizinische Untersuchung erfolgen, die neben der Schwere der Ausprägung weiter Auskunft darüber geben soll, ob der Betroffene diese Einschlafsituationen auch selbst rechtzeitig erkennen kann.
Validierte Testverfahren, die das Gefährdungspotenzial zutreffend voraussagen könnten, stehen hierfür allerdings noch nicht zur Verfügung, der „Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit“ (Epworth-Sleepiness-Scale) kann wie alle rein subjektiven Methoden durch falsche Angaben leicht manipuliert werden. Der als objektives Verfahren zur Messung der Einschlafneigung am Tag verwendete „Multiple Schlaflatenztest“ misst eher die Einschlaffähigkeit am Tag und weniger die Schwierigkeit, tagsüber wach zu bleiben.
Weitere in der Begutachtungsleitlinie empfohlene Untersuchungen zur Feststellung von „alertness“ und physiologischem Aktivierungsniveau sollen bei der Beurteilung der Fahreignung Daueraufmerksamkeit und Vigilanz prüfen. Gemessen werden hierbei der Abfall des Leistungsvermögens, die Zunahme von Reaktionszeiten sowie das Auftreten von Auslassungsfehlern. Auch die Möglichkeit einer praktischen Fahrprobe ist in der Leitlinie genannt.
Die Berücksichtigung von Kompensationsmöglichkeiten sieht die Begutachtungsleitlinie gleichfalls vor, etwa die medikamentöse Behandlung einer Tagesschläfrigkeit oder die nCPAP-Behandlung eines Schlafapnoesyndroms. Entsprechende Auflagen hierzu oder auch etwa zu einer Begrenzung von Fahrstrecke und Fahrzeit können erlassen werden. Die Autoren sehen aber Bedarf für eine weitergehende Absicherung durch experimentelle Untersuchungen oder Begutachtungsstudien, wobei dieser Bedarf besonders bei der Überprüfung der Validität computerbasierter Untersuchungsmethoden zur Messung schläfrigkeitsbedingter Defizite durch praktische Fahrübungen gesehen wird. Allgemein wird eine deutliche Zunahme somnologischer Gutachten erwartet.
(Popp, R, Geisler, P: Tagesschläfrigkeit und Verkehrssicherheit. Somnologie DOI 10.1007/s11818-015-0018-4 vom 8. August 2015, Berlin/Heidelberg: Springer Verlag
E. Losch, Frankfurt/Main