Für eine altersbegleitende Schwerhörigkeit wird in der gesetzlichen Unfallversicherung angenommen, dass diese sich erst jenseits des 60. Lebensjahres beginnt auszuwirken, also in einem Alter, in dem die Mehrzahl der gewerblich Beschäftigten kurz vor der Berentung steht oder auch schon aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Bei der Beurteilung einer beruflichen Lärmschwerhörigkeit in Abgrenzung dieser altersbegleitenden Einflüsse gibt es in dieser Hinsicht damit meist wenige Probleme.
Anders bei selbstständigen Landwirten, die häufig weit über das 65. Lebensjahr arbeiten und damit weiter lärmexponiert sein können. Meist sind zu diesem Personenkreis auch keine Voraudiogramme vorhanden, und die gutachtliche Angrenzung bei Personen im höheren Lebensalter hinsichtlich beruflicher und altersbegleitender Einflüsse wird damit schwierig, zumal beide Einflüsse sich tonaudiometrisch im höheren Frequenzbereich manifestieren. Die vorhandenen Tabellen zur Abschätzung des altersgemäß zu erwartenden Hörverlustes (ohnehin mit weiten Schwankungsbreiten) enden im Alter von 75 Jahren. Die Arbeitsplatzanalyse zur Lärmexposition wird schwierig, da sich die Arbeiten in der Landwirtschaft im Sommer und im Winter deutlich unterscheiden und in höherem Lebensalter nur noch sehr unregelmäßig gearbeitet wird.
Auf diese Problematik gehen Brusis und Michel in einer Übersicht ein. Weiter werden von ihnen die vier Problemfelder vorgestellt, die eine erhöhte Lärmexposition im Beruf des Landwirts erwarten lassen. Einmal sind dies Tätigkeiten mit Einsatz von Schleppern im Ackerbau, wobei gerade ältere Modelle häufig noch im Einsatz sind mit entsprechend höheren Lärmpegeln. Weiter ist ein erhöhter Lärmpegel in der Viehzucht besonders bei der Schweinehaltung zu erwarten, bei Fütterung hier können Pegel bis 97 dBA auftreten. Kapselgehörschützer sind bei dieser Tätigkeit Pflicht, ebenso in dem weiteren Problemfeld der Forstwirtschaft beim Einsatz von Motorsägen. Inwieweit der Gehörschutz auch getragen wird ist allerdings eine andere Frage, die den Versicherungsschutz aber nicht aufhebt. Zuletzt muss an die Lärmexposition bei Tätigkeiten als Jagdunternehmer gedacht werden. Schrotflinten lassen Lärmpegel bis 145 dB, Gewehre je nach Kaliber noch deutlich höhere Pegel erwarten.
Wünschenswert wäre es nach Ansicht der Autoren, auch bei Landwirten in Zukunft regelmäßig und frühzeitig tonaudiometrische Untersuchungen durchzuführen. Weiter könnte es mit der Einführung der in den neuen „Königsteiner Empfehlungen“ vorgegebenen Ermittlung der effektiven Lärmdosis nach Liedke für die gesamte Zeit des Erwerbslebens leichter werden, eine Abgrenzung von Lärmschaden und altersbegleitendem Hörverlust vorzunehmen.
(Brusis T, Michel O: Aus der Gutachtenpraxis: Besonderheiten bei der Begutachtung von Landwirten bei Verdacht auf Lärmschwerhörigkeit. Laryngo-Rhino-Otol (2013), 92 (9): 611–613)
E. Losch, Frankfurt/Main