Nachdem der Crystal Meth-Konsum in Australien und den USA bereits beunruhigende Ausmaße angenommen hat, breitet sich die Partydroge in den letzten Jahren verstärkt auch in Europa aus. „Seit der Jahrtausendwende verdrängt Crystal Meth zunehmend die klassischen Amphetamine Ecstasy und Speed, die vor allem in der Techno-Rave-Szene verbreitet sind“, sagt Härtel-Petri, der als Psychiater seit vielen Jahren Methamphetamin-Abhängige betreut. Welche Folgen die Zunahme des Konsums für die Suchttherapie in Deutschland hat, fasst Härtel-Petri in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Suchttherapie“ zusammen.
Das kristalline Methamphetamin wirkt ebenso wie das klassische d-Amphetamin als „Weckamin“, das Müdigkeit, Hunger und Schmerzempfinden unterdrückt. Die Droge steigert den Rede- und Bewegungsdrang und reduziert soziale Ängste. „Die Konsumenten erleben sich als kontaktfreudig und sexuell angeregt, alle Tätigkeiten machen Spaß“, sagt Härtel-Petri. Allerdings erleben sie auch eine gereizte Getriebenheit, sind fahrig und unkonzentriert. Bei Überdosierung oder chronischem Konsum kann es auch zu paranoid psychotischen Episoden kommen. Auf der körperlichen Ebene können Bluthochdruck und Herzrasen zu Herzproblemen und Schlaganfällen führen. Chronisch Abhängige entwickeln oft irreversible Schäden wie psychische und kognitive Störungen oder eine Parkinson-Erkrankung.
Bis 2009 beschränkte sich die Verbreitung von Crystal Meth in Deutschland weitgehend auf die Gebiete nahe der Grenze zur Tschechischen Republik, von wo aus die Droge eingeschmuggelt wurde. „Seit 2010 jedoch wird Crystal Meth in größeren Mengen ins Land gebracht und erreicht auch die westlichen Landesteile“, sagt Härtel-Petri und verweist auf entsprechende Polizeiberichte. Außerdem werde die Droge zunehmend im Inland hergestellt.
Entsprechend steigt auch der Behandlungsbedarf stetig an – bereits seit 2003 sind Amphetamine für mehr als 50 Prozent der erstauffälligen Konsumenten verantwortlich. Akut unter Crystal Meth stehende Patienten sind für Therapeuten dabei eine besondere Herausforderung: Sie sind aufgekratzt und reden permanent („Laberflash“), sind jedoch gleichzeitig so unkonzentriert, dass sie Erklärungen nicht folgen können. Diese Phase geht über in die Entzugsphase, in der die Betroffenen vermehrt schlafen, antriebslos und depressiv sind und sich zum Teil mit Selbstmordgedanken tragen. Auch starke Kopfschmerzen und die nach einigen Tagen auftretenden Schlafstörungen lassen die Patienten leicht rückfällig werden. Außerdem sind chronische Konsumenten oft so stark kognitiv beeinträchtigt, dass sie sich mit der Bewältigung ihres Alltags überfordert fühlen.
Wie Härtel-Petri betont, sind medikamentöse Strategien für den Entzug noch nicht ausreichend erforscht – zugleich verweist er aber auf positive Erfahrungen mit Dopaminanaloga wie d-Amphetamin oder Modafinil. „Bei weiterer Ausbreitung des Meth-Problems sollten diese als Behandlungsoptionen weiter erforscht werden“, sagt der Psychiater. Trotz der schwierigen Ausgangslage ist Härtel-Petri optimistisch: Seiner Erfahrung nach schließen Meth-Konsumenten die Therapie deutlich häufiger regulär ab als etwa Opiatpatienten. Das aus den USA stammende verhaltenstherapeutische Therapieprogramm „Matrix“ etwa erreicht ein Jahr nach der Behandlung Abstinenzquoten von 60 Prozent. Sein Fazit: „Es ist eine gut behandelbare Erkrankung.“
(Härtel-Petri R: Crystal-Meth als Herausforderung für das Suchthilfesystem – Klinische Empfehlungen. Suchttherapie 2015; Online erschienen am 28.09.2015)
Thieme Presseservice