Im Rahmen einer Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Thema „Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern“ wurden medizinische und psychologische Gutachter in Bayern, die für Gerichte Gutachten erstatten, u. a. danach befragt, inwieweit Ihnen mit dem Gutachtenauftrag auch schon einmal eine Tendenz signalisiert wurde, oder ob Ihnen derartiges schon einmal zumindest aus dem Kollegenkreis bekannt geworden ist.
Weiter wurde danach gefragt, wie viel Prozent ihrer Einnahmen aus dieser Gutachtertätigkeit stammten. Dazu wurde von den antwortenden Psychiatern in knapp 29 % der Fälle, von den Psychologen sogar in knapp 49 % angegeben, dass über 50 % der Einnahmen aus dieser Tätigkeit stammten, während die Humanmediziner allgemein dies nur in 18 % und Zahnmediziner nur in 2 % erreichten.
Zur Frage der Signalisierung einer Tendenz mit den Aufträgen zu Gerichtsgutachten berichteten Psychiater zu 28 % und Psychologen zu 42 %, dies zumindest in Einzelfällen bemerkt zu haben, ferner zu 32 % bzw. 57 %, davon schon einmal gehört zu haben. Mit steigendem Prozentsatz der Einnahmen des Gutachters stieg auch die Häufigkeit der berichteten Tendenzvorgabe an.
Von dieser Studie sind bis jetzt nur Einzelaspekte veröffentlicht, die komplette Publikation soll in Kürze erscheinen. Interessieren würde natürlich die Frage, durch welche Wortwahl oder sonstige Gestaltung des Gutachtenauftrages diese Vorgabe einer Tendenz auftritt, und ob im Vorfeld des Gutachtenauftrages durch die beteiligten Parteien nicht schon genau hierauf bereits ein entsprechender Einfluss – dies auch bis auf die Auswahl des Gutachters selbst- ausgeübt wurde. Es wäre nicht nur für die Begutachtungsmedizin fatal wenn sich herausstellte, dass Gutachtenaufträge zumindest teilweise mit einer Tendenzvorgabe erteilt würden, sei es durch Formulierungen im Auftrag, oder auch durch gezielte Auswahl von bestimmten Gutachtern, dies vielleicht auch unter Ausnutzung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit.
(Jordan B, Gresser U: Oft wird die Tendenz vorgegeben. Deutsches Ärzteblatt (2014), 111, 6: A210)
E. Losch, Frankfurt/Main