Bei primären und sekundären Hirntumoren sowie insbesondere bei Tumoren der Schädelbasis zählt die moderne Radioonkologie zu den zentralen Säulen der multimodalen Behandlung, erklärte Stephanie E. Combs von der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München auf dem 6. Neurochirurgie-Update-Seminar am 17. und 18. März 2017 in München.
Die Indikation für eine Strahlentherapie kann sehr verschieden sein – primär abhängig von der Histologie, von der bestehenden Symptomatik bei Inoperabilität oder nach einer Teilresektion. Wichtig sind immer die individuelle Therapieentscheidung und der Behandlungskonsens in einem multidisziplinären Team im Rahmen eines Tumorboards, betonte Combs.
Bei primären Hirntumoren (wie bei den Gliomen) ist die Strahlentherapie entweder alleine oder in Kombination mit einer Systemtherapie wichtig. Hier sind molekulare Eigenschaften der Tumoren mehr und mehr in den Fokus gerückt und bestimmen heute maßgeblich das Therapiekonzept mit. Bei sekundären Hirntumoren (Hirnmetastasen) wird die Strahlentherapie in der Regel alleine oder sequentiell mit einer Systemtherapie für den extrakraniellen Befall durchgeführt.
Vorteile der hochmodernen Strahlentherapie sind die präzise Dosisapplikation auf ganz definierte Bereiche: Gesundes Gewebe kann geschont werden und damit können Nebenwirkungen reduziert werden. Hierbei ist die exakte Definition des Behandlungsvolumens (Zielvolumens) von entscheidender Bedeutung. Gerade im Bereich der Schädelbasis, wo die Strahlentherapie für eine langfristige Tumorkontrolle essentiell sein kann, muss eine spezielle Expertise vorliegen und es sollten hohe Anforderungen an die Technik gestellt werden, forderte Combs.
Neue technische Entwicklungen, mit denen das Bestrahlungsfeld im Sub-millimeterbereich an unregelmäßig geformte Zielvolumina angepasst werden kann, führen zu einer deutlich verbesserten Schonung des gesunden Gewebes. Eine solche gesteigerte Präzision zieht aber immer hohe Anforderungen an die Bestrahlungsplanung, d. h. die Definition des Bestrahlungsfeldes, nach sich.
Für den Strahlentherapeuten machen intrakranielle Raumforderungen nicht nur einen signifikanten Anteil der zu behandelnden Tumorentitäten aus, sondern gehen mit besonderen Herausforderungen hinsichtlich der Planung und Wahl des richtigen Therapieregimes einher. Ein fundiertes Wissen über die verfügbaren Techniken als auch Kenntnis der aktuellen Datenlage ist hierbei Grundvoraussetzung, erklärte Combs.
Zu den einzelnen Verfahren gab sie folgende zusammengefasste Hinweise für die Praxis:
Stereotaktische Strahlentherapie / Radiochirurgie
Durch die stereotaktische Hochpräzisionsstrahlentherapie (Stereotaxie) besteht die Möglichkeit, millimetergenau mit hohen Dosierungen verschiedene Tumorarten zu bestrahlen. Durch den steilen Dosisgradienten kann umliegendes Gewebe geschont werden; sowohl gutartige als auch bösartige Tumore können behandelt werden. Diese Techniken können mit speziell ausgerüsteten Linearbeschleunigern für die Stereotaxie, mit dem Gamma Knife® oder mit dem Cyber Knife® durchgeführt werden; die Therapieergebnisse sind unabhängig von der Wahl des Bestrahlungsgerätes. Bei kleineren Volumina hat die Radiochirurgie (Einzeithochdosis-Konvergenzbestrahlung) Vorteile durch die hohe Einzeldosis und die kurze Behandlungszeit. Bei größeren Volumina kann durch eine Fraktionierung (mehrere Bestrahlungstage) das Nebenwirkungsprofil positiv beeinflusst werden.
Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT)
Gerade bei komplex geformten Zielvolumina hat die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) entscheidende Verbesserungen gebracht: Bei vergleichbarer Genauigkeit kann hier das einzelne Bestrahlungsfeld in sich „moduliert“ werden, d. h. es gibt Subfelder mit höherer oder niedriger Dosis. So kann die Dosis auch um Risikoorgane herum geplant werden. Verschiedene Strukturen wie z. B. der Sehapparat, die Speicheldrüsen oder der Hippocampus können gezielt geschont werden. Ebenso können selektiv Bereiche mit einer höheren Dosis (integrierter Boost) effektiver behandelt werden.
Bestrahlung mit Protonen und Schwerionen
Durch die speziellen Eigenschaften von Partikelstrahlen kann die integrale Dosis am Patienten reduziert werden, so dass sich potentiell vor allem langfristige Nebenwirkungen reduzieren lassen. Insbesondere für Chordome und Chondrosarkome zählt die Partikeltherapie zum Goldstandard. Allerdings fehlen bisher noch für viele Indikationen prospektive, vor allem randomisierte Studien. Für pädiatrische Patienten sollte die zeitnahe Verfügbarkeit einer Partikeltherapie evaluiert werden.
Die einzelnen Techniken der modernen Radioonkologie werden abhängig von der Tumorart, der Größe und Form des Behandlungsgebietes sowie von der notwendigen Bestrahlungsdosis gewählt. Daher ist die Therapie in jedem Fall individualisiert und wird für jeden einzelnen Patienten maßgeschneidert angefertigt und appliziert, fasste Combs den derzeitigen Kenntnisstand zusammen.
Kenntnisse über die einzelnen Methoden der Strahlentherapie von Hirntumoren und deren jeweilige Indikation sind aber auch für den Gutachter wichtig, der – meist im Auftrag eines Kostenträgers – eine Stellungnahme zur Indikation einer solchen (teuren!) Therapie im konkreten Einzelfall abgeben soll.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden