12. Dermatologie-Update-Seminar, Mainz, 23./24. November 2018
Auf dem 12. Dermatologie-Update-Seminar am 23. und 24. November 2018 in Mainz wurde eine Fülle neuer dermatologischer Behandlungskonzepte vorgestellt, die inzwischen großenteils etabliert, zum Teil aber noch experimentell sind. Galt die dermatologische Behandlung bis vor einigen Jahren noch als relativ preiswert, verursachen die modernen Behandlungsmethoden allerdings großenteils erhebliche Kosten. Diese betragen etwa bei einer immunonkologischen Therapie mit sog. Checkpoint-Inhibitoren mitunter mehr als 100.000 € pro Jahr.
Kenntnisse über solche neuen Methoden und Konzepte sind daher für den Gutachter in der Krankenversicherung wichtig, der beurteilen soll, welche von diesen bei welchen Krankheitsbildern als medizinisch notwendig anzusehen sind. Hilfreich für eine solche Beurteilung sind oft auch aktuelle Leitlinien.
Hier eine kurze Zusammenfassung einiger einschlägiger Vorträge:
Biologika zur Therapie der Psoriasis etabliert
Biologika gehörten heute zur Standardtherapie der mittelschweren bis schweren Psoriasis, berichtete Ulrich Mrowietz von der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Heute sind mehr Biologika für die Erstlinientherapie zugelassen als so genannte konventionelle Systemtherapeutika.
Fast alle Biologika zeichnen sich durch eine hohe bis sehr hohe therapeutische Effektivität und ein schnelles Ansprechen aus und – auch das ist ein großer Vorteil – durch eine gute mitunter sogar sehr gute Sicherheit und Verträglichkeit. In Registern zeigen Biologika ein deutlich besseres „Drug Survival“ (Therapietreue bezüglich eines Medikaments) als die konventionellen Medikamente, was an dem insgesamt sehr guten Nutzen-Risiko-Profil liegt. Die Patienten haben sich heute daran gewöhnt, Medikamente zu injizieren.
Einziger Nachteil sind die immer noch hohen Therapiekosten, trotz zunehmender Verfügbarkeit von Biosimilars, schränkte Mrowietz ein.
Dupilumab als First-line-Therapie bei atopischer Dermatitis
Als ein herausragendes Ereignis in Bezug auf das Management der atopischen Dermatitis wurde im September 2017 in Europa – und damit auch in Deutschland – erstmals ein Biologikum (Dupilumab) als First-line-Therapie für die Indikation einer mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis im Erwachsenenalter zugelassen, führte Thomas Werfel von der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medizinische Hochschule Hannover aus.
Dupilumab ist ein humaner monoklonaler IgG4-Antikörper und blockiert eine Untereinheit sowohl des IL-4- als auch des IL-13-Rezeptors, so dass die Wirkung dieser beiden für die akute Krankheitsphase bei atopischer Dermatitis entscheidenden Zytokine gehemmt wird. Die empfohlene Dosierung beträgt 600 mg als Initialdosis, gefolgt von 300 mg alle 14 Tage subkutan.
Checkpoint-Inhibitoren effektiv beim Melanom …
In den letzten Jahren zeigt sich ein dramatischer Wandel in der Melanomtherapie, erklärte Axel Hauschild von der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. So stellen die PD1-Antikörper-Therapien (sog. Checkpoint-Inhibitoren) beim fernmetastasierten Melanom derzeit den Therapiestandard dar. Die Zulassungsstudien zu Pembrolizumab und Nivolumab zeigten eindeutig bessere Ergebnisse als bisherige Standardtherapien (Chemotherapie bzw. Ipilimumab).
Alle Melanomzentren im deutschsprachigen Raum haben mittlerweile große Erfahrungen mit PD1-Antikörpern gesammelt und wir können jetzt Remissionsraten im Bereich von 40 % bis 45 % mit kompletten Remissionen im Bereich von 15 % bis 20 % bei den Patienten im AJCC-Tumorstadium IV bestätigen – auch im Alltag und nicht nur bei selektierten Patienten in Studien, führte Hauschild aus.
… aber auch beim nicht-melanotischen Hautkrebs
Aber auch bei den verschiedenen Formen des nicht-melanotischen Hautkrebs (NMSC) erleben wir den Siegeszug von Checkpoint-Inhibition gegen Tumoren, die teils bereits mehrfach mit Chirurgie, Radiotherapie und Chemotherapie vorbehandelt wurden, ergänzte Günther Hofbauer von der Dermatologische Klinik am Universitätsspital Zürich (Schweiz). Ein Ansprechen lässt sich allerdings nur bei etwa einem Drittel bis der Hälfte der Betroffenen erreichen.
Aktuelle Studien zeigen robuste Wirkdaten gegen die häufiger anzutreffenden Tumoren – spinozelluläres Karzinom und Merkelzellkarzinom – als Zweitlinien- und auch als Erstlinienbehandlung. Zu Kaposisarkom, Angiosarkom und Talgdrüsenkarzinom sind nur Einzelfallberichte erschienen, scheinen aber bereits in kleinen Zahlen auch eine Wirkung für CheckpointInhibition zu versprechen.
Der grundsätzliche Beweis, dass Checkpoint-Inhibition in einer weiten Gruppe von Hauttumoren ein Ansprechen erreichen kann, ist erbracht und zeigt sich auch in der ausgeweiteten Anwendung bei selteneren Formen von nicht-melanotischen Hautkrebs. Grundsätzlich lässt sich damit wohl jeder nicht-melanotischer Hautkrebs nach Ausschöpfung anderer Modalitäten einem Heilversuch mit Checkpoint-Inhibition unterziehen, gerade auch weil die beschriebenen Nebenwirkungen für die meisten Betroffenen erträglich scheinen, so Hofbauer. Ausnahmen dabei sind Organtransplantierte, die eine relevante Inzidenz von Organabstoßung unter einer solchen Therapie gezeigt haben.
LTT für die allergologische Routinediagnostik nicht geeignet
Trotz interessanter aktueller Studienergebnisse wird es sicher noch lange dauern, bis der Lymphozytentransformationstest (LTT) bei der Diagnostik von Kontaktallergien routinefähig wird, prognostizierte Thomas Werfel. Derzeit werden Lymphozytentransformationstests für die allergologische Routinediagnostik nicht empfohlen, zumal sie störanfällig und aufwändig sind (AWMF-Leitlinien/061-017 zur In-vitro-Diagnostik in der Allergologie).
Trotzdem werden solche Lymphozytentransformationstests seit vielen Jahren von kommerziellen Labors angeboten, und hier nicht nur für die Indikation allergische Kontaktdermatitis, sondern auch bei Beschwerden im Bereich der Mundschleimhaut und vermuteter Allergie auf Zahnfüllungsstoffe wie Amalgam. Von diesen Testungen wird dringend abgeraten, betonte Werfel.
Keine Empfehlung für PRP zur Therapie der androgenetischen Alopezie
Die Anwendung von Platelet rich plasma (PRP) bei der androgenetischen Alopezie ist relativ populär geworden, was sich an der zunehmenden Zahl der Publikationen deutlich zeigt, berichtete Tobias W. Fischer von der Klinik für Dermatologie und Venerologie Krankenhausstraße am Kepler Universitätsklinikum in Linz (Österreich).
Die Rationale ist, dass durch die Zentrifugation des Vollblutes Plasma mit angereicherten und aktivierten Thrombozyten gewonnen wird, die verschiedene Wachstumsfaktoren wie zum Beispiel Insuline-like Growth Factor 1 (IGF-1) freisetzen, die eine belegte positive Wirkung auf das Haarfollikelwachstum haben.
Die Evidenzlage für eine Therapie der androgenetischen Alopezie mit PRP ist nach der aktuellen Studienlage allerdings insgesamt sehr schwach. Die Anwendung kann daher nicht empfohlen werden, allenfalls in zukünftigen Investigator-initiierten Studien mit standardisierten PRP-Produkten und unter Plazebo-kontrollierten, doppelverblindeten Bedingungen mit Evaluation durch objektive Messmethoden (z. B. Fototrichogramm), erklärte Fischer.
Aktuelle S1-Leitlinie Lipödem
Beim Lipödem handelt es sich um eine problematische Erkrankung mit nicht eindeutiger Definition bzw. fehlenden exakte Diagnosekriterien, unklarer Pathogenese und unbefriedigenden Therapiemöglichkeiten, erklärte Thomas Schwarz von der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Daher ist die aktuelle S1-Leitlinie Lipödem [1] zu begrüßen.
Als diagnostische Kriterien gelten danach:
Beginn während der Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause,
Dysproportionale Vermehrung des Fettgewebes (Extremitäten, Stamm),
Einschnürung um die Gelenke,
Aussparung von Händen und Füßen,
Gefühl der Schwere und Enge in den Extremitäten,
Spontanschmerz oder Schmerz auf Druck, im Tagesverlauf zunehmend,
Ödem, im Tagesverlauf zunehmend,
Leichte Hämatombildung,
Negatives Stemmer-Zeichen.
Die Säulen der Therapie des Lipödems sind komplexe physikalische Therapie (Kompression, manuelle Lymphdrainage, intermittierende pneumatische Kompression) und Liposuktion. Unterstützend sind Gewichtsreduktion und Sport. Medikamente stehen nicht zur Verfügung, von der Einnahme von Diuretika wird explizit gewarnt. Da das Lipödem für manche betroffene Frauen eine schwere Belastung darstellt, kann im Einzelfall Psychotherapie hilfreich sein.
Literatur
1Reich-Schupke S, Schmeller W, Brauer WJ, Cornely ME, Faerber G, Ludwig M, Lulay G, Miller A, Rapprich S, Richter DF, Schacht V, Schrader K, Stücker M, Ure C: S1-Leitlinie Lipödem. J Dtsch Dermatol Ges. (2017), 15: 758–768
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden