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Ärztliche Begutachtung

Holm-Torsten Klemm, Michael Wich (Hrsg.):
2021, XXII und 395 Seiten, gebunden
Walter de Gruyter, Berlin/Boston,
102,95 Euro
ISBN 978-3-11-069335-5

Erstellt nach den Vorgaben der Bundesärztekammer zur Strukturierten curricularen Fortbildung (SCF) „Medizinische Begutachtung“ handelt es sich nach den einleitenden Vorbemerkungen um eine synoptische Einführung in die entsprechenden Module I und II (allgemeine Grundlagen der Begutachtung; Zustandsbegutachtung und Kausalitätsbegutachtung für die verschiedenen Sozialversicherungsträger sowie einschlägigen Sparten der Privatversicherung; fachübergreifende Aspekte der medizinischen Begutachtung). Auch die einzelnen Kapitel orientieren sich weitestgehend an den entsprechenden thematischen Vorgaben.

Geboten wird dabei eine Fülle von Informationen, welche über eine reine Einführung in die einzelnen Themengebiete meist weit hinaus geht; so wenn die private Unfallversicherung (welche im Kurs in ca. 1 Stunde abgehandelt werden sollte) über 32 Seiten präsentiert wird. Dagegen fällt allerdings das Kapitel über die private Krankenversicherung mit knapp 6 Seiten eher dürftig aus.

Informativ sind die in verschiedenen Kapiteln dargestellten Beispielsfälle sowie die „Praxistipps“ und Merksätze. Für Gutachter – und nicht nur für Absolventen der entsprechenden Kurse – dürften zudem insbesondere die Kapitel über die Beschwerdenvalidierung aus neuropsychiatrischer Sicht, über kultursensible Aspekte der Begutachtung und Forensik oder über „Fallstricke der ärztlichen Begutachtung“ von besonderem Interesse sein.

Hierzu zwei Beispiele:

  • Als Grundproblem der psychopathologischen Befunderhebung nach dem im deutschsprachigen Sprachraum üblichen AMDP-System wird angeführt (S. 334 f), „dass lediglich 22 der genannten 100 Einzelsymptome im Sinne einer sog. `Fremdbeurteilung´ vom Untersucher beobachtbar und damit auch objektiv beurteilbar sind, während der überwiegende Teil der Symptome wie Ängste, Schlafstörungen oder ein sozialer Rückzug auf den subjektiven Selbstangaben des Untersuchten beruht“. Daher stelle es „bereits einen wesentlichen Teil der Beschwerdenvalidierung dar, wenn der Begutachter klar zwischen Angaben (`Beschwerdenebene`) und objektivierbaren Befunden (`Befundebene´) getrennt“ werde. Daneben ermögliche „die Beobachtung während einer mehrstündigen psychiatrischen gutachtlichen Exploration [...] wesentliche Informationen über die Plausibilität und Konsistenz geklagter Beschwerden“.
  • Bei den „Fallstricken“ wird erklärt (S. 372), in der Begutachtungssituation gehe es – im Gegensatz zur Behandlungssituation – „nicht mehr zentral um die `Glaubwürdigkeit´ des zu Begutachtenden, sondern um eine Übereinstimmung zwischen vorgetragenen Beschwerden, Beeinträchtigungen und vom Untersucher zu erhebenden Befunden (Aktenstudium, klinische und apparative Diagnostik)“.
  • Als Merksatz heißt es dazu: „In einem Gutachten ist es nicht hilfreich, wenn der Sachverständige schreibt: `Die vom zu Begutachtenden vorgetragenen Schmerzen erscheinen glaubwürdig.´“

    G.-M. Ostendorf, Wiesbaden