Thomas Merten (Hrsg.):
2023, 352 Seiten, broschiert
Hofgrefe Verlag, Göttingen,39,95 Euro
ISBN 978-3-8017-3180-9
Die Validierung geklagter Beschwerden ist ein besonders wichtiger Bestandteil medizinischer Gutachten. So wird etwa in der aktuellen 5. Version der S2k-Leitlinie „Ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen“ („Leitlinie Schmerzbegutachtung“) betont, dass die Klärung der Frage, ob und inwieweit die von Betroffenen geklagten Beschwerden, Funktionsbeeinträchtigungen sowie Einschränkungen in Aktivität und Teilhabe tatsächlich auch bestehen, eine wesentliche Kernaufgabe der ärztlichen Begutachtung darstellt.
Die Publikation von Merten und zahlreichen Ko-Autoren aus 6 Ländern (!) gibt nun einen guten Überblick über den aktuellen Kenntnisstand der Beschwerdenvalidierung insbesondere in der psychiatrischen bzw. psychologischen Begutachtung, denn „Kernstück einer jeden Begutachtung muss eine eingehende Prüfung der Informationsbasis auf Konsistenz und Plausibilität sein“, wie der Herausgeber einleitend ausführt. Dabei werden auch einige bislang im deutschen Sprachraum kaum oder nur wenig behandelte Themen im Umfeld der Diagnostik problematischer Beschwerdendarstellungen vorgestellt – nicht nur in der Begutachtung, sondern auch in Klinik und Rehabilitation.
Auch wenn es in diesem Buch ganz überwiegend um psychologische Beschwerdenvalidierungstests, deren Aussagekraft und Interpretation geht, soll die Beschwerdenvalidierung anhand der Aktenlage, der Anamnese und der Beobachtung des zu Begutachtenden (im Rahmen der Begutachtung) Bestandteil medizinischer Gutachten aller Fachrichtungen sein, wie Bernhard Widder im sehr lesenswerten Kapitel „Klinische Tests zur Beschwerdenvalidierung“ ausführt.
Dem psychologischen bzw. auch dem psychiatrischen / psychosomatischen Gutachter dürften besonders die Kapitel über die verschiedenen Methoden und Verfahren im Überblick sowie Testinformationen über 14 ausgewählte Einzelverfahren – jeweils auch mit Angaben zu Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren – interessieren.
Sehr informativ auch für den nicht psychologisch-gutachtlich tätigen Leser – Arzt oder Jurist – sind schließlich die letzten 4 Kapitel zur Situation der Beschwerdenvalidierung in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und in den Niederlanden. So wird ausgeführt, dass es in Deutschland zwar einen sehr breiten Konsens gebe, dass eine umfassende Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung (Beschwerdenvalidierung) das Kernstück der Begutachtung darstelle. Die praktische Umsetzung dieser Einsicht sei allerdings noch sehr heterogen.
Insgesamt handelt es sich um einen aktuellen umfangreichen Überblick über die komplexe Thematik der Beschwerdenvalidierung in ihren verschiedenen Anwendungsgebieten, welcher insbesondere psychiatrischen / psychosomatischen bzw. psychologischen Gutachtern sehr empfohlen werden kann. Angesichts des Umfangs des Buches ist der Preis moderat.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden