Die Zahl der Gutachten, die der Medizinische Dienst der Krankenversicherung im Jahr bei vermuteten Behandlungsfehlern erstellt, übersteigt nach einer (schon älteren) Statistik die Zahl von 10.000 pro Jahr deutlich. Nach der gleichen Statistik aus dem Jahre 2015 soll auch bei jedem dritten Fall der Verdacht auf einen solchen Behandlungsfehler zu bestätigen sein. Zum Beitrag des medizinischen Sachverständigen bei der letztendlich juristischen Entscheidungsfindung über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers hatte sich in dieser Zeitschrift bereits Schröter (Ausgabe 1/2016) geäußert, weitere Beiträge hierzu auch für das Jahrzehnt zuvor können bei Bedarf im Archiv der Zeitschrift (unter www.medsach.de) recherchiert werden. In dieser Ausgabe der Zeitschrift beschäftigt sich jetzt Hofmann mit dem Begriff des allen gutachtlichen Beurteilungen hierbei zugrunde zu legenden „fachlichen Standards“ der Behandlung. Dieser scheint bei oberflächlicher Betrachtung ebenso wie die Begriffe „Gesundheit“ und „Krankheit“ eindeutig zu sein, wie bei diesen Begriffen auch werden seine inhaltlichen Unschärfen allerdings erst bei näherer Betrachtung deutlich. Ohne eine einheitliche Definition dieses „fachlichen Standards“ kann aber der medizinische Gutachter in Fragen eines vermuteten Behandlungsfehlers zu keinen zutreffenden Entscheidungen kommen und dem Juristen damit keine für seine Beurteilung erforderliche gesicherte Grundlage bieten.
Die Ausgabe der Zeitschrift beginnt aber mit einem juristischen Beitrag zur Aufgabenverteilung zwischen medizinischem Sachverständigen und Richter bei der Kausalitätsprüfung. Definiert wird hier von Spellbrink diese Aufgabenverteilung in jedem Schritt der Kausalitätsbeurteilung in Abtrennung des zu leistenden Beitrags zwischen beiden Berufsgruppen. Weiter wird von ihm der vom Bundessozialgericht 2012 eingeführte Begriff der „Wirkursache“, der in seinem Inhalt – wie vom Gericht ursprünglich gemeint – offensichtlich nicht unbedingt einheitlich definiert wird, einer klareren Abgrenzung unterzogen.
Auf einen bislang noch wenig beachteten Aspekt bei Begutachtungen in der gesetzlichen Unfallversicherung weist der nachfolgende Beitrag von Jubel und Mülheims hin. Bei einer Bevölkerung mit zunehmendem Altersdurchschnitt und damit auch einem zunehmenden Altersdurchschnitt der arbeitenden Bevölkerung kommt es zwangsläufig auch vermehrt zu Arbeitsunfällen im höheren Lebensalter. In dieser Altersgruppe liegen aber in verstärkter Ausprägung bereits altersbegleitende Veränderungen des Körpers vor, die bei der gutachtlichen Beurteilung von Unfallfolgen einer sorgfältigen Betrachtung bedürfen. Keinesfalls darf diesen altersbegleitenden Veränderungen ohne nähere Prüfung eine überwiegende Bedeutung für Gesundheitsstörungen nach einem Unfallereignis beigemessen und eine Entschädigung verneint werden. Bei diesen Beurteilungen muss stets im Einzelfall sehr sorgfältig dargelegt werden, welcher Anteil an den bestehenden Gesundheitsstörungen nach einem Unfallereignis dem versicherten Ereignis oder eben den altersbegleitenden Veränderungen zukommt, um eine pauschale Diskriminierung älterer Arbeitnehmer bei der Entschädigung von Unfallfolgen zu vermeiden. Ergänzend kann zu der Frage, mit welchen dieser Veränderungen im Alter in typischer Weise gerechnet werden muss, auf die Ausführungen von Hager in der Ausgabe 1/2009 dieser Zeitschrift verwiesen werden. Die Medizin hat für diesen veränderten Körperzustand des älteren Personenkreises bereits den Begriff des „Frailty-Syndroms“ eingeführt. Eine Übersicht zu diesem Syndrom von Braun et al. ist aktuell in der Ausgabe 2/2017 der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ zu finden (Braun T, et al: Diagnostik und Behandlung physischer Frailty. Dtsch Med Wochenschr 142, (2017), 2: 117).
Um den Begriff eines „Instituts für medizinische Begutachtung“ waren in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen geführt worden, teils führte die Verwendung des Begriffs sogar zur Ablehnung in einer solchen Institution erstellter Gutachten wegen angeblicher Irreführung durch diesen. Der Beitrag von Oehler und Gaidzik untersucht den Begriff nun hinsichtlich seiner wettbewerbsrechtlichen und berufsrechtlichen Aspekte.
Einen besonderen Begutachtungsfall aus dem Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung stellen im Folgenden noch Cyffka und Müller vor. Beschrieben ist hier der Gang der Begutachtung und die Beurteilung von verschiedenen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen nach einer Leberlebendspende, die zu einer Entschädigung in der gesetzlichen Unfallversicherung führten.
Oben hingewiesen worden war schon auf die Möglichkeit, auch ältere Beiträge dieser Zeitschrift im Archiv unter www.medsach.de zu recherchieren und sich damit eine Hilfestellung bei der Beurteilung gutachtlicher Fragen zu verschaffen. In diesen Zusammenhang wird zusätzlich auf die auf der Eröffnungsseite des Internetauftritts der Zeitschrift zu findende Rubrik „Meldungen“ hingewiesen. Die Schriftleitung versucht hier, für den Gutachter interessante aktuelle Meldungen einer schnellen Verbreitung zuzuführen. Ein regelmäßiger Blick auf diese Seite kann damit empfohlen werden.
E. Losch, Frankfurt/Main