Die Grundlagen für eine Schadenregulierung müssen für alle Beteiligten transparent sein – insbesondere sowohl für einen betroffenen Versicherten als auch für dessen Versicherungsunternehmen. Das nicht nur von dem inzwischen leider viel zu früh verstorbenen Frank Schröter, sondern unter anderem auch von Elmar Ludolph vorgestellte „Zuschlagsmodell“ hat dies im Blick – und ist genau deshalb ausgesprochen weit verbreitet.
Selbstverständlich besitzt der medizinische Sachverständige keine Glaskugel, mit deren Hilfe er im Einzelfall die Zukunft voraussehen könnte. Ansonsten ließe es sich schließlich ebenso gut auf dem Jahrmarkt arbeiten. Einen „Endoprothesenzuschlag“ aber lediglich dann zu gewähren, wenn bereits innerhalb der ersten drei Jahre konkrete Lockerungszeichen zu erkennen sind, ließe alle jene Situationen unberücksichtigt, in denen sich ein Versagen eben erst nach Ablauf eines solchen Zeitraumes manifestiert. Mit Blick auf die von den Autoren mitgeteilten Standzeiten dürfte es sich dabei um die Mehrzahl der Fälle
handeln.
„Liegt … im konkret zu begutachtenden Fall ein Zustand nach Gelenkbruch vor und ist aus dem Ausmaß der posttraumatisch umformenden Arthrose sehr wahrscheinlich zu machen, dass … ein Gelenkflächenersatz folgen wird, so muss dies zwingend auch seinen Niederschlag in der zu bemessenden Invalidität finden.“ Ein Unterschied zwischen eben diesem Postulat der beiden Autoren und den von ihnen kritisierten Bemessungsempfehlungen von Schröter und Kollegen wird allenfalls insofern deutlich, als posttraumatische Achsenfehlstellungen, die bekanntermaßen gleichfalls zu einer Arthrose führen können, zumindest an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Ansonsten haben jene bisherigen Vorschläge eben genau dies zum Ziel – und begrenzen die Willkür eines medizinischen Sachverständigen.
Für die Funktion eines Gelenkes ist obendrein von durchaus erheblicher Bedeutung, inwieweit es sich schmerzfrei oder nur unter Beschwerden bewegen bzw. belasten lässt. Ein „Arthrosezuschlag“ bildet also nicht nur die Wahrscheinlichkeit für einen künstlichen Gelenkersatz ab, sondern auch die Plausibilität von Bewegungs- bzw. Belastungsschmerzen.
Die von den Autoren kritisierten „Zuschläge“ sorgen für Transparenz. Ihre konkrete Ausgestaltung ist freilich durchaus diskussionswürdig. Ihre grundsätzliche Berechtigung sollte allerdings nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn ausgerechnet der Vorstand der Fachgesellschaft Interdisziplinäre Medizinische Begutachtungen (FGIMB e.V.) Derartiges publiziert, dann muss er sich den Vorwurf einer übergroßen Nähe zur Versicherungswirtschaft gefallen lassen. Die Akzeptanz von Gutachten der Mitglieder dieses Fachverbandes in der Versichertengemeinschaft wird dadurch reduziert.
Anschrift des Verfassers
Dr. med. Jürgen Hettfleisch
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