Zusammenfassung
Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung der Justiz deutlichen Vorschub geleistet. Hierzu gehören nicht nur der elektronische Rechtsverkehr und die eAkte, sondern auch die virtualisierte mündliche Verhandlung. Fast alle Gerichte in Deutschland verfügen mittlerweile über die Möglichkeit einer Teilnahme an Gerichtsverhandlungen „im Wege der Bild- und Tonübertragung“, also mittels Videokonferenz. Ein Quantensprung, denn 2020 war diese Technik noch kaum verfügbar. Entsprechend unsicher sind Gerichte und Beteiligte noch bei der praktischen Umsetzung. Zwischenzeitlich sind Möglichkeiten der Verfahrensführung mittels Bild- und Tonübertragung in sämtliche großen Prozessordnungen aufgenommen worden. Die Entscheidung über die Gestattung einer Videokonferenz liegt im Ermessen des Gerichts. Am jeweiligen Antragsteller liegt es daher, durch seine Antragsbegründung das Gericht zu überzeugen. Verfahrensbeteiligte, ihre Bevollmächtigten, Sachverständige und Zeugen nehmen an der Verhandlung im Wege der Videokonferenz von „einem anderen Ort“ aus Teil. Das Gesetz umschreibt den „anderen Ort“ nicht näher. Es liegt auf der Hand, dass es sich letztlich um einen beliebigen Ort außerhalb des Sitzungssaals handelt. In Betracht kommen also bspw. die Kanzleiräume des Prozessbevollmächtigten, die Büro- oder Praxisräume des Sachverständigen oder die privaten Wohnräume von Klägern und Zeugen. Auch wenn insoweit in der Praxis gar nicht so selten hierdurch ein Grund für Erheiterung besteht, ist klar, dass auch die Teilnahme im Wege der Bild- und Tonübertragung ein Auftreten „vor Gericht“ ist. Dieser Beitrag beschreibt Rechtsgrundlagen, Anforderungen, Herausforderungen, Vorteile und Fallstricke der Nutzung von Videokonferenztechnik in gerichtlichen Verfahren.
Schlüsselwörter Videoverhandlung – Videokonferenz – mündliche Verhandlung – Bildübertragung – Tonübertragung Digitalisierung – Virtualisierung
MedSach 119 3/2023: 129 –139
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr.jur. Henning Müller
Direktor des Sozialgerichts Darmstadt
Honorarprofessor der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen
Sozialgericht Darmstadt
Steubenplatz 14
64293 Darmstadt