Zusammenfassung
Der medizinische Sachverständige agiert im Arzthaftungsverfahren in einem von Rechtsinstituten des Arzthaftungsrechts geprägten Rahmen. Er kann die rechtlich geprägten medizinischen Fragen nur dann adäquat beantworten, wenn ihm diese Rechtsinstitute in Grundzügen geläufig sind.
Die Behandlungsfehlerhaftung und die Haftung wegen Aufklärungsmangels sind die zwei Säulen der Arzthaftung. Sie folgen jeweils eigenen Regeln und sind strikt getrennt zu prüfen.
Die Beweislast für eine Haftung des Arztes wegen eines Behandlungsfehlers liegt vollumfänglich beim Patienten. Der Patient muss sämtliche Anspruchsvoraussetzungen beweisen. Zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten hinsichtlich der zentralen haftungsbegründenden Kausalität kommt es insbesondere dann, wenn der Behandlungsseite ein grober Behandlungsfehler oder ein qualifizierter Befunderhebungsfehler zur Last fällt. Verstöße gegen die ärztliche Dokumentationspflicht können dem Patienten günstige Vermutungen zur Fehlerhaftigkeit der Behandlung zur Folge haben.
Der gesundheitliche Primärschaden des Patienten ist von dessen Folgeschaden, für diesen und dessen Verursachung durch den Primärschaden gilt ein reduziertes Beweismaß, zu unterscheiden.
Die Aufklärung des Patienten hat mündlich, nicht schriftlich, zu erfolgen. Der schriftliche Aufklärungsbogen ist nur sekundär als Indiz für den Inhalt des mündlichen Aufklärungsgesprächs von Bedeutung. Der Patient ist auch über echte Behandlungsalternativen aufzuklären. Die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten liegt bei der Behandlungsseite.
Der ärztliche Gutachter kann der benachteiligten Partei für Schäden, die ein fehlerhaftes Gutachten verursacht, haftpflichtig werden. Der gerichtliche Gutachter ist haftungsrechtlich privilegiert. Insbesondere muss er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen.
Schlüsselwörter Behandlungsfehler – Arzthaftungsrecht – Aufklärungsmangel – Dokumentationspflicht
Comments on the composition of medical expert reports within the law on liability for medical malpractice from a judicial perspective
Abstract
As far as the procedure on liability for medical malpractice is concerned, the medical expert acts within a framework that is shaped by legal institutes with knowledge of legislation on liability for medical malpractice. He cannot answer medical questions of a legal nature unless the basic functions of these legal institutes are familiar to him.
Liability for medical error and liability for lack of information are the two pillars of liability for medical malpractice. Each one is subject to its own rules and must be examined separately.
The burden of proof for practitioner liability for a medical error lies fully with the patient. The patient must prove all the eligibility criteria. The shift in the burden of proof in favour of the patient with regard to central causality providing the grounds for liability comes about in particular if a gross error in medical treatment or a qualified error in clinical findings is imputed to the treatment side. Breaches of the medical documentation obligation may result in assumptions in favour of the patient that the treatment was deficient.
A distinction must be made between primary and secondary health damage; a reduced standard of evidence applies to the latter and its cause by primary damage.
The patient must be informed verbally and not in writing. The written information sheet is of secondary importance only as evidence of the content of the verbal exchange of information. The patient must also be told about genuine treatment alternatives. The burden of proof for providing the patient with information in due form lies with the treatment side.
The medical expert may become liable to the aggrieved party for damage caused by an erroneous report. The judicial expert is privileged under liability law. In particular, he only has to answer for wilful intent and culpable negligence.
Keywords medical error – law on liability for medical malpractice – lack of information – documentation obligation
Anschrift des Verfassers
Martin Ramm
Vorsitzender Richter Oberlandesgericht München a.D.
Juristisches Kommissionsmitglied der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen bei der Bayerischen Landesärztekammer
Adresse im Verlag
MedSach 115 6/2019: 244–254