Einführung
Versicherte, die ihre finanzielle Versorgung im Fall einer schweren Erkrankung mittels einer privaten Krankentagegeld- und einer Berufsunfähigkeitsversicherung absichern wollen, befinden sich in einer tragischen Situation, wenn der eine Versicherer die Berufsunfähigkeit feststellt und alle Leistungen einstellt, während der andere Versicherer die Berufsunfähigkeit bestreitet und Rentenleistungen ablehnt.
Kommt der vom Krankentagegeldversicherer beauftragte medizinische Gutachter zu dem Ergebnis, es liegt eine Berufsunfähigkeit bei dem Versicherten vor, der begutachtende Experte der dann in Anspruch genommenen Berufsunfähigkeitsversicherung jedoch nicht, kann der Versicherte in der Mehrzahl der Fälle nur noch den Rechtsweg beschreiten. Die Gerichte haben dann letztendlich die Aufgabe, den einzelnen Versicherer an seine Pflicht zu erinnern, das Untersuchungsergebnis gründlicher festzustellen (als Beispiel OLG Koblenz, Urteil v. 08.02.2017 – 10 U 727/15, erschienen in NJW-RR 2017,923).
An Hand des folgenden Fallbeispiels lässt sich gut darstellen, dass der Schlüssel für eine gleichgelagerte Entscheidung beider Versicherungsunternehmen u. a. in der Qualität der zuvor in Auftrag gegebenen Begutachtung liegt. Hier zeigen sich nach wie vor signifikante Unterschiede, sowohl in der Methodenauswahl seitens der Gutachter als auch in ihrer Bewertung der vorliegenden Situation durch die Sachverständigen. So kommen bei ein und demselben Krankheitsbild qualitativ unterschiedliche Untersuchungsmethoden während der Begutachtungen zum Einsatz, von denen die eine oder andere nicht gerade den medizinischen Goldstandard widerspiegelt; Die Ursache hierfür wird wiederum in den strukturellen Mängeln der Aus- und Fortbildung zukünftiger Gutachter gesehen [4].
Fallskizze: Die Zahntechnikerin mit angegebener Einschränkung der Motorik und Kraft bei Z.n. Rhizarthrose im linken Daumensattelgelenk und erfolgter FCR-Arthroplastik
Die erste Begutachtung des Krankentagegeldversicherers fand am 04.04.2018, die zweite des Berufsunfähigkeitsversicherers am 19.04.2018 statt. In der Eigenanamnese gab die Versicherte bei beiden Begutachtungen an, dass im November 2017 erstmals belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken Handgelenks aufgetreten seien. Es sei ihr weiterhin ein wiederkehrendes Hämatom im Bereich der Finger der linken Hand aufgefallen. Sie habe sich daher ambulant bei einem Facharzt vorgestellt. Hier wurde eine fortgeschrittene Rhizarthrose links diagnostiziert. Am 16.12.2017 erfolgte die Resektions (Trapizium)- Interpositions(FCR)-Arthroplastik nach Pechlaner (mod. nach Froimson) mit einem postoperativem komplikationslosem Verlauf.
Zu den aktuellen Beschwerden befragt äußert sich die Versicherte dahingehend, dass sie noch belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des Daumensattelgelenks habe. Sie sei Rechtshänderin. Es bestünde noch eine derbe Schwellung im Narbenbereich. Sie behandele diese mit einer Salbe. Insbesondere bereiten ihr Drehbewegungen des Handgelenks Schwierigkeiten. Sie könne z. B. kein Gurkenglas mit der linken Hand öffnen. Weiterhin sei die Feinmotorik der linken Hand noch eingeschränkt. So bestünden noch Schwierigkeiten z. B. beim Zuknöpfen der Hose. Nach Aussagen des Operateurs könne die Rekonvaleszenzzeit drei bis sechs Monate betragen. Sie führe derzeit noch krankengymnastische Übungsbehandlungen zweimal wöchentlich durch, hierunter sei schon eine Besserung der Beschwerdesymptomatik eingetreten. Eine Analgetikatherapie werde nicht mehr benötigt.
In der Berufs- und Arbeitsanamnese gibt die Versicherte an, dass sie das Abitur habe und danach den Beruf der Zahntechnikerin erlernte. Seit dem Ende der Ausbildung habe sie stets vollschichtig in ihrem Beruf als Zahntechnikerin gearbeitet. Bei ihrer Arbeit sei sie sehr stark auf die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände angewiesen. Auch mit der linken Hand müsse sie kräftig zufassen, um den Zahnersatz festzuhalten. Seit dem 16.11.2017 bestünde Arbeitsunfähigkeit. Bei ihrem Arbeitgeber handele es sich um ein zahntechnisches Labor mit zehn Angestellten. Abschließend äußert die Versicherte, dass sie sich die erlernte Tätigkeit als Zahntechnikerin aufgrund ihrer eingeschränkten Handfunktion links nicht mehr zutraue. Sie könne sich eine Arbeit als Arzthelferin oder in der Kinderbetreuung vorstellen oder als Heilpraktikerin.
Die Versicherte ist seit 2014 geschieden. Sie hat zwei Kinder im Alter von 14 und 18 Jahren. Als Hobbies werden u. a. Karate und Stricken angegeben, welche jedoch aufgrund der Einschränkungen an der Hand z. Zt. nicht durchführbar seien. Zur Untersuchungsstelle sei sie mit dem Fahrrad gekommen. Ernsthafte Vorerkrankungen, insbesondere Stoffwechsel-, neurologische oder Herzerkrankungen sind bei der Versicherten weder in der Vergangenheit aufgetreten noch bei der Begutachtung feststellbar. (Anmerkung: Eine ausführliche körperliche Untersuchung fand bei beiden Begutachtungen statt. Es fanden sich außer der besagten postoperativen Situation am linken Handgelenk keine sonstigen pathologischen Ergebnisse. Es bestand auch kein Anhalt für psychische Störungen).
Feststellung des untersuchenden Gutachters des Krankentagegeldversicherers
(Anmerkung: das Gutachten wurde mit Hilfe des Gutachten-Formulars „AU- Checkup©-Gutachten“ der Firma IMB-Consult GmbH durchgeführt):
„Es besteht eine lokale druckschmerzhafte Schwellung und eine Hypersensibilität am linken Daumengrundgelenk. Die passive Beweglichkeit ist komplett frei. Auch die aktive Beweglichkeit ist frei. Im Spitzgriff kann ein Gegenstand festgehalten werden. Zur Austestung wird ein Zellstofftupfer im Spitzgriff zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten, beim Zug am Tupfer zerreißt dieser. Bei wiederholtem Zufassen mit dem Daumen tritt sehr rasche Ermüdung auf und eine mangelnde Stabilität am Daumensattelgelenk.“
Sonographie des linken Daumengrundgelenks: Keine Ergussbildung, keine Verhaltbildung.
Zum Untersuchungspunkt 5 „Verfälschungstendenzen“ kreuzt der Gutachter zur Frage: „ Wie plausibel sind die geschilderten Beschwerden und die Testergebnisse?“: Plausibel!
Zum Untersuchungspunkt 7: „Berufliche Leistungsbeurteilung“ gibt der Gutachter mittels Ankreuzen unter Punkt A) (ohne Begründung) an, es läge Berufsunfähigkeit ab dem Untersuchungstage der Begutachtung vor.
Zum Untersuchungspunkt 8: „Zusammenfassende sozialmedizinische Empfehlung“ konstatiert der Gutachter: „Bei der Patientin ist eine Rhizarthrose operativ versorgt worden durch Resektions-Arthroplastik. Das Operationsergebnis ist sehr gut. Es ist jedoch keine hinreichende Belastbarkeit für wiederholte Tätigkeiten, die den Spitzgriff der linken Hand erfordern, gegeben. Ein Erreichen der hinreichenden Stabilität ist nach Resektions-Arthroplastik bei jetzt vier Monate postoperativ vorliegendem, guten Operationsergebnis nicht zu erwarten. Daher besteht für den Beruf der Zahntechnikerin auf Dauer keine hinreichende Belastbarkeit.“
Abschließend findet sich als Anlage zu dem Gutachten das Messblatt für obere Gliedmaßen (nach der Neutral -0-Methode). Hierauf wurde vom Gutachter zum Untersuchungspunkt „Daumengelenke –Streckung/Beugung Grundgelenk und Endgelenk“ aber auch unter dem Punkt „Abspreizung“ angegeben: 5/5. Bei dem Untersuchungsaspekt „Bitte ankreuzen, welche Langfingerkuppen mit der Daumenspitze erreicht werden können“ wurden bei allen Fingern Kreuze durch den Gutachter gemacht.
Feststellung des untersuchenden Gutachters der Berufsunfähigkeitsversicherung
(Anmerkung: nach der Voruntersuchung wurde die Begutachtung mittels des ERGOS-FCE-Sapphire-Assessment-System® weiter durchgeführt).
„Das Auskleiden gelingt flüssig ohne Hilfe. Obere Extremitäten: Seitengleiche Konfiguration. Seitengleich ausgeprägte Muskulatur ohne Anhalt für muskuläre Atrophien. Freie Funktion beider Schultergelenke in allen Ebenen. Impingementtest und Jobe-Test bds. negativ. Kein Druckschmerz im Bereich der Ellenbogengelenke bei bds. freier Funktion. Keine Fehlstellung im Bereich der Hand- und Fingergelenke. Der Faustschluss ist bds. komplett und kräftig. Reizlose ca. 1cm lange, noch leicht gerötete Narbe über dem linken Daumensattelgelenk. Eine derbe Schwellung ist in diesem Bereich tastbar. Am Vigorimeter wird rechts eine Handkraft von 110 kPa links von 90 kPa erreicht. Es besteht nur eine endgradige Funktionseinschränkung des Daumensattelgelenks.“
Nach der Voruntersuchung erfolgten Testreihen mittels des o. g. Systems.
Exkurs: Das ERGOS-FCE-Sapphire-System
Um die körperliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen in seiner Arbeitsumgebung zu messen und vor allem die persönliche Kapazität in einer Rehabilitationsphase nach einer Erkrankung objektivierbar darzustellen, hat man in den vergangenen Jahren verschiedene Arbeitsplatz-simulatoren entworfen. Zu diesen Test-Systemen (auch FCE-System = Fuctional-Capacity-Evaluation genannt) gehört neben dem EFL und dem ERGOS System auch das sog. Sapphire-Assessment [2].
Dabei wird der berufliche Alltag an Hand von standardisierten Arbeitsabläufen in all seinen Anforderungen über mehrere Stunden simuliert und die erbrachte Leistung den bekannten Arbeitsplatzbelastungen gegenübergestellt. An mehreren „Arbeitsstationen“ werden Messergebnisse aus Arbeitsaufgaben gewonnen, die der Rehabilitand durchführen muss und diese anschließend mit Anforderungsdaten aus einer Arbeitsplatzdatenbank verglichen. So kann man einerseits Überforderungen erkennen, andererseits aber auch Aggravations- oder Simulationstendenzen des einzelnen Unersuchten entdecken. Die objektive Erfassung ist dabei das herausgehobene Element, denn die subjektiven Erkenntnisse aus Beobachtungen und Schmerzangaben werden getrennt betrachtet und beeinflussen nicht das ausgegebene Ergebnis der Arbeitsplatzsimulation [1, 3].
Das spezielle Simulationssystem Sapphire (z. B. in der Form des Sapphire Quick Tester Upper Extremity Component System™ der Firma Simwork-Systems) hat in der Berufedatenbank 200 berufliche Tätigkeiten gespeichert, sodass eine konkrete Frage der Eignung für bestimmte berufliche Tätigkeiten nach dem Test objektiv beantwortet werden kann. 18 Aktivitäts-Module, einschließlich eines zur Prüfung der Hand- und Fingerfertigkeit, können genutzt werden. Die Kraft- und Fingerfertigkeit der oberen Extremität lässt sich so mittels Sensoren während einer speziellen Tätigkeit messbar darstellen. Die Geräte und Sensoren sind dabei mittels USB mit einem Computer verbunden. Der Testablauf wird vom PC gesteuert und kann nicht nach dem Start verändert werden. Anschließend wird mittels einer Software ein Bericht angefertigt. Die Leistungen des Untersuchten werden darin mit den Standard-Anforderungen in seinem speziellen Arbeitsbereich verglichen und graphisch u. a. mit MTM-Diagrammen (methods-time-measurements/Arbeitsablauf-Zeitanalyse) aufbereitet. Diese Standard-Arbeitsanforderungen sind festgelegt nach erforschten und festgelegten Richtlinien [3, 7]. (Für weitere Informationen zu diesem System siehe auch die Internetpräsentation: „Konsistenzprüfung bei der erwerbsbezogenen Leistungsdiagnostik mittels FCE Systemen“ von Geissler/Andreeva/Gutenbrunner auf https://www.mh-hannover.de › Downloads › 2018_05_15_Dr._Geissler.pdf).
Konkrete Ergebnisse im dargestellten Fall mittels des Sapphire-Systems
Der Gutachter schreibt in seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung: „Die Probandin stand den Testungen neugierig und motiviert gegenüber. Sie arbeitete im Test unauffällig mit. Alle Bewegungsabläufe waren regelrecht, sie machte keine Schmerzangaben. Beim statischen Heben Höhe Mittelhand erreichte die Probandin mit 12,23 kg die mittelschwere Leistungskategorie. Beim dynamischen Heben Höhe Bank wurde mit 25 kg die beginnend schwere Kraft erreicht. Angesichts der dort beginnenden Lasthandhabung ist die Probandin einsetzbar für mittelschwere Ganztagsarbeiten, wobei 20 kg auf Werkbankhöhe über ein Drittel des achtstündigen Arbeitstages verteilt gehoben werden können. Das Leistungsergebnis beim Vorwärtsreichen lag bei 61,4 % MTM und war somit unterdurchschnittlich. Der dabei nicht beobachtete Pulsfrequenzanstieg spricht gegen die Ausschöpfung der individuellen Leistungsreserven. Die Handfertigkeiten lagen rechts bei 78,8 % MTM, entsprechend einem durchschnittlichen Ergebnis, links bei 73,9 % MTM, entsprechend einem durchschnittlichen Ergebnis. Die Fingerfertigkeit lag rechts bei 94,2 % MTM, entsprechend einem durchschnittlichen Ergebnis, links bei 91,4 %, entsprechend einem durchschnittlichen Ergebnis. Das Arbeitstempo war somit durchschnittlich bds. unauffällig.
Beim lateralen Griff wurden rechts durchschnittlich 6,62 kg und links 3,86 kg erreicht. Die gemittelte Leistungskategorie war rechts mittelschwer, links leicht. Beim 3-Punkte-Griff wurden rechts durchschnittlich 4,24 kg und links 2,66 kg erreicht. Die gemittelte Leistungskategorie war rechts wie links mittelschwer. Die beim statischen Greifen gezeigten Mittelwerte liegen im Bereich der für die erreichten max. Hebeleistungen erforderlichen Handkraft, so dass die Greifkräfte realistisch dargestellt wurden. Die Inkonsistenzprüfung ergab mit fünf Punkten eine mäßige Konsistenz, somit sind die Testergebnisse nur eingeschränkt verwertbar zur Objektivierung funktionell motorischer Leistungseinschränkungen.
Bei ihrem Beruf als Zahntechnikerin benötigt die Versicherte die vollständige Handkraft, sowie die vollständig erhaltende Feinmotorik beider Hände. Feinmotorische Einschränkungen bestanden bei bekannter Rhizarthrose bds. nicht. Beide Daumen waren noch frei beweglich, es bestand kein Funktionsdefizit. Einschränkungen zeigten sich beim lateralen Griff und Drei-Punkte-Griff der linken Hand. Hier wurde jeweils nur die leichte Kraftkategorie erreicht. Ansonsten waren alle durchgeführten Sapphire-Tests mittelschwer bzw. im durchschnittlichen Bereich. Eine weitere Besserung der Handkraft ist auf Grund der Ergebnisse noch zu erwarten. Zurzeit ist die Versicherte daher als Zahntechnikerin noch als vollschichtig (über sechs Stunden täglich) leistungsfähig einzuschätzen.
Diskussion
Der in diesem Fall dargestellte Vergleich der Begutachtungsmethoden (Zellstofftupfer vs.Sapphire-System) soll hier nicht als Werbung für ein bestimmtes Simulations-System verstanden werden. Außer dem vorgestellten Verfahren zur Objektivierbarkeit der Hand- und Greifkraft nach einer FCR-Arthroplastik bei Z. n. Rhizarthrose gibt es auch noch andere, die hier nicht vorgestellt wurden [6]. Zur Diskussion sollte vielmehr stehen, dass sich der Gutachter der Krankentagegeldversicherung trotz einiger bereits seit Jahren bestehender Verfahren zur Objektivierbarkeit des Leistungsvermögens keines dieser Verfahren zu Nutze gemacht hat obwohl es Indizien gab, die für eine drohende Aggravation der Versicherten während der Begutachtung sprachen. So hätte der Gutachter die Äußerung der Untersuchten, dass sie lieber einen anderen Beruf ausüben wolle und sich ihren nicht mehr zutraue mehr Beachtung schenken müssen. Hinterfragen muss man auch, ob das Nicht-Nutzen eines solchen Verfahrens mangels Wissen um diese o. g. Verfahren passierte oder aus anderen Gründen. Im hier vorliegenden Fall lässt sich das nicht mehr ermitteln. In der Vergangenheit wurde jedoch die Methodenauswahl bei der Begutachtung schon des Öfteren im Hinblick auf den Ausbildungsstand der Gutachter bemängelt.
Schon 2013 hat Ostendorf in seinem Vortrag: „Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit in der Privatversicherung – ,Stiefkinder‘ der Begutachtung?“ auf die Mängel in der Begutachtungspraxis hingewiesen [4]. Er bemängelte darin, dass Beschwerden von den Gutachtern als glaubhaft angesehen werden und es keine gezielten Untersuchungen zu dem beklagten Beschwerdebild gebe. In einem weiteren Beitrag 2016 hob er erneut hervor, dass gerade Gutachter, die für die Krankentagegeldversicherer entscheiden sollen, ob eine Berufsunfähigkeit bei dem Versicherten vorliegt, oftmals aufgrund des „Massengeschäfts der KT-Begutachtungen“ fehlerhafte Schlüsse
ziehen [5].
In der Tat gibt es in Deutschland für Mediziner mit dem Interesse, versicherungsmedizinischer Gutachter zu werden, keine universitäre zielgerichtete Ausbildung. Zwischenzeitlich hat sich hinsichtlich der Ausbildung – z. B. durch die Fortbildungsmöglichkeit zum medizinischen Sachverständigen (cpu) an der Dresden International University – zwar einiges verbessert; es sind jedoch – so muss wohl die Schlussfolgerung aus dem vorangegangen Fall lauten – noch immer Schwächen in der Ausbildung der Sach-verständigen zu erkennen. Große Hoffnungen setzt die private Versicherungswirtschaft deshalb in den neu geschaffenen Lehrstuhl „Versicherungsmedizin“ an der Universität Lübeck.
Ergebnis
Ob man nun Befürworter der ausführlicheren Arbeitsplatz-Simulationstests wie des Sapphire- ERGOS- oder EFL-Assessments ist oder diese Arbeitsplatz-Simulations-Systeme schlichtweg ablehnt, das hier dargestellte Sapphire-Testverfahren dürfte in jedem Klageverfahren mit dem Ziel, Versicherungsleistungen zu erhalten, gegenüber der ersten hier gezeigten „Untersuchungsmethode“ als exakter eingeschätzt werden. Wichtig ist insofern, dass man sich als zukünftiger Gutachter privater Versicherungen zumindest mit moderneren Untersuchungsmethoden auseinandersetzt und sie gegebenenfalls als Zusatzoption in das eigene Untersuchungsportfolio mit aufnimmt. Eine periodische Fortbildung – wie sie Ostendorf
in seiner Stellungnahme gefordert hat – mit dem Ziel, neuere Untersuchungs-methoden kennenzulernen, ist somit unerlässlich. Wie dieses Beispiel gezeigt hat, ist die Kritik an der Aus- und
Fortbildung versicherungsmedizinischer Gutachter nach wie vor berechtigt.
Literatur
1 Geissler N, Andreeva E et al.: Arbeitsbezogene Leistungsdiagnostik mit dem Sapphire-System®: Konsistenzbewertung und Schmerzverhalten unter Berücksichtigung des Erwerbsstatus. Rehabilitation (2019), 58: 191–199
2 Kaiser H, Kersting M, Schian HM: Der Stellenwert des Arbeitssimulationsgerätes ERGOS als Bestandteil der leistungsdiagnostischen Begutachtung. Rehabilitation (2000), 39: 175–184
3 Kupatz P, Gankovych A: Der Einsatz des FCE-Systems SAPPHIRE in der muskulo-skelettalen Reha. Vffr-News (2015) 17: 20–22
4 Ostendorf GM: Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit in der Privatversicherung – „Stiefkinder“ der Begutachtung? MedSach 110 (2014), 1: 19–20
5 Ostendorf GM: Der Begriff der Berufsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung. GenRe-BUaktuell 2/2016, 9–14
6 Rab M, Gohritz A, Gohla T et al.: Ergebnisse nach Resektions-Suspensions-Arthroplastik bei Rhizarthrose: Vergleich der Abductor pollicis longus- mit der Flexor carpi radialis-Sehnensuspension. Handchir Mikrochir Plast Chir (2006); 38: 98–103
7 Torghabeh ZJ, Stentz TL, Herstein K: Demonstration of Work Performance Metrics in Ironworkers using the ERGOS Sapphire(TM) Work Simulation System. 51st Annual Associated Schools of Construction Annual International Conference Proceedings. April 22–25, 2015. College Station, TX.
Anschrift des Verfassers
Dr. rer. medic. Dipl. Jur. Dieter Markus Seliger
Lehrbeauftragter für das Fach Leistungsprüfung an der Dualen Hochschule Baden- Württemberg, Heidenheim – Studiengang BWL-Versicherungswesen und Leistungsprüfer bei einem Erstversicherer
Leimgrube 3
88069 Tettnang